Schluss mit den Ausreden, Herr Kanzler! Eine (sehr) wütende Analyse.
Warum taktisches Schweigen nur der AfD hilft und wie wir dagegen arbeiten.
Der Bericht des Verfassungsschutzes ergibt: Die AfD ist insgesamt rechtsextremistisch und gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet.
Oder wie ich sagen würde: no shit, sherlock.
Was wir seitdem vor allem und viel hören: Ausreden. Zum Beispiel warum ein Verbot schwierig ist. Weil man die AfD inhaltlich, politisch stellen sollte, statt sie zu verbieten. Oder warum man sich doch lieber das Recht vorbehält, die AfD zu spezifischen Themen weiter in TV-Sendungen einzuladen. Oder warum wir jetzt eher über den Verfassungsschutz reden müssen, statt über die Rechtsextremen in der Partei.
Was wir wenig hören: Eine konsequente Auseinandersetzung mit der Tatsache, warum die AfD so eingestuft wird. Weil sie rassistisch und völkisch ist. Weil sie Hass schürt gegen Menschen. Weil sie eine Gefahr für Menschenleben ist und zwar jeden Tag in diesem Land.
Weshalb wir nicht darüber diskutieren sollten, ob die AfD verboten werden soll, weil sie “die CDU zerstören will” oder “der verlängerte Arm des Kreml sei”. (Quelle: SZ)
Wie es der Journalist Stephan Detjen im Deutschlandfunk sehr treffend kommentierte: “Der verfassungsfeindliche Rechtsextremismus der AfD manifestiert sich nach der Einschätzung der Behörde in ihrer rassistischen und völkischen Gesinnung. (…) Nur wenn auch die politische Mitte die Abgrenzung von Rassismus und der völkischer Gedankenwelt der AfD konsequent bis in die eigenen Reihen nachvollzieht, wird auch eine klare und glaubwürdige Abgrenzung von der AfD gelingen. Die Antwort auf das radikale Abschottungsdenken der AfD muss die radikale Begründung und Verteidigung einer offenen Gesellschaft sein.(…)”
Wir müssen darüber diskutieren, wie wir alle in dieser Gesellschaft, vor allem auch die Personen in Entscheidungspositionen (Grüße an die neue Bundesregierung, Grüße an die Intendant_innen der öffentlich-Rechtlichen), wirklich gegen dieses Gedankengut vorgehen werden - und zwar bei uns allen.
Was wir übrigens lange gar nicht hörten: Die Meinung des Mannes, der heute voraussichtlich zum Kanzler gewählt wird. Aber dazu gleich mehr.
Deshalb sage ich: Schluss mit den Ausreden. Wir wissen spätestens seit dieser Einstufung des Verfassungsschutzes und den danach folgenden Aussagen: Es wird wenig bis keine Konsequenzen geben, wenn wir nicht alle die Personen in Entscheidungspositionen (und uns alle gegenseitig) daran erinnern, DASS etwas getan werden muss.
Und daher liefere ich euch heute 5 Argumente gegen 5 Ausreden, die ich seit Freitag, also seit der Einstufung, nicht mehr hören kann.
Ausrede 1: „Ich sag mal lieber erstmal nix – könnte ja Kanzler kosten.“
Friedrich Merz wird heute voraussichtlich zum Kanzler gewählt. Friedrich Merz wird, wenn gewählt, Kanzler aller Menschen in diesem Land. Der Verfassungsschutz untersteht als Bundesamt dem Bundesinnenministerium und damit der dann von ihm angeführten Bundesregierung. Merz gilt als Gegner der AfD. Wörtlich sagte er schon 2020: „Wenn ich einen Beitrag leisten kann, dass dieses Gesindel wieder verschwindet, dann will ich ihn leisten.“ (Quelle: Tagesspiegel)
Und doch es war auch Merz, der im Februar 2025 erstmals mit AfD-Stimmen eine Mehrheit für einen Beschluss im Bundestag erzielte. Und es war derselbe Merz, der bis gestern Abend zur Einstufung der AfD: schwieg.
Laut Beobachtern war das Schweigen möglicherweise kalkuliert: Seine Koalition verfügt über eine denkbar knappe Mehrheit – ein Scheitern im ersten Durchgang der Kanzlerwahl wäre desaströs (vor allem für einen Politiker, dessen Umfragewerte bei gerade mal 38% Zustimmung liegen). Einen klugen Tagesspiegel-Artikel dazu findet ihr hier.
Warum also etwas sagen, das für Unruhe sorgen könnte? Da kann es strategisch bequemer sein, öffentlich zu schweigen und intern zu prüfen.
Es gibt das berechtigte Argument, dass es klug sei, so eine Einstufung erstmal intern zu besprechen, die Unterlagen zu lesen, sich ein eigenes Bild zu machen. Gestern Abend hat sich Merz nun das erste Mal dazu geäußert.
Es werde die Aufgabe der nächsten Bundesregierung sein, den Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz sorgfältig auszuwerten, sagte er nach einer Unionsfraktionssitzung. Die Auswertung und die politische Bewertung sei ausschließlich Sache der Bundesregierung und hier des Bundesinnenministers. „Und bevor eine solche Auswertung nicht vorgenommen ist, will ich persönlich keine Empfehlungen geben für weitere Schlussfolgerungen seitens der Regierung.“ (Quelle: Tagesspiegel)
Eine Einordnung zur Begründung der Einstufung selbst? Fehlanzeige.
Ebenso schwieg Merz übrigens lange zur AfD-Aussage von Jens Spahn (gerade zum CDU-Fraktionsvorsitzenden gewählt), der vor wenigen Wochen vorschlug, man solle die AfD „wie jede andere Oppositionspartei“ behandeln. (siehe dazu diesen Adé AfD-Newsletter).
Nach der Unionsfraktionssitzung sagte Merz jetzt gestern: „Spätestens seit dem letzten Wochenende ist es auch für mich unvorstellbar, dass Abgeordnete im Deutschen Bundestag AfD-Abgeordnete zu Ausschussvorsitzenden wählen“. (Quelle: Tagesspiegel)
Brauchte es also den Alarmruf des Verfassungsschutzes (und möglicherweise den sicheren Kanzlerstuhl?) damit Merz irgendetwas sagt?
Was immer noch fehlt?
Eine klare Positionierung zur AfD-Einstufung. Eine Linie für den Umgang der Union mit einer Partei, an die man zur Bundestagswahl 1 Million Wähler verlor. Es fehlt, wenige Stunden vor der Kanzlerwahl, eine Antwort auf die Frage, wie der zukünftige Kanzler jene schützen will, die täglich durch die AfD bedroht werden.
Was sein Schweigen stattdessen tat?
Es ließ all jene im Stich, die von der AfD bedroht und ausgegrenzt werden. Und es wirkte – ob gewollt oder nicht – zumindest aus meiner Sicht wie ein stilles Signal der Normalisierung: als sei diese Einstufung politisches, bürokratisches Kleinklein.
Nein, Herr Kanzler, lieber Herr Merz, das ist sie nicht. Eine vom Verfassungsschutz aufgrund ihrer rassistischen und völkischem Gesinnung als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei sitzt im deutschen Bundestag und ist je nach Umfrage stärkste Kraft. Das ist eine Zäsur.
Ich wünsche mir von einem (designierten) Kanzler mehr als taktische Windstille. Wer als Oppositionsführer dem ehemaligen Kanzler gerne vorwarf, zu zögerlich, zu passiv zu sein, muss sich nun an seinen eigenen Maßstäben messen lassen.
Ich finde: Von einem Kanzler aller Bürger_innen darf man mehr Mut erwarten – nämlich dass er die Demokratie aktiv verteidigt, anstatt sich in ein taktischen Schneckenhaus zurückzuziehen. Das hilft am Ende nur einer: der AfD.
Also schlage ich vor: Schreibt ihm. Flutet sein Bundestagsbüro und gerne auch das Kanzleramt und seine Socials mit ehrlichen offenen Anfragen. Fragt ihn. Direkt. Freundlich. Hartnäckig:
➡️ Was ist sein Plan gegen die größte rechtsextreme Partei seit 1945?
➡️ Wie will er als Kanzler die Demokratie verteidigen – wenn nicht mit Haltung?
Ausrede 2: “Die AfD wurde demokratisch gewählt, wir müssen sie weiter in Talkshows einladen.”
Ja, die AfD ist durch Wahlen legitimiert und im Bundestag sowie nahezu allen Länderparlamenten vertreten. Ja, öffentlich-rechtliche Sender sind prinzipiell verpflichtet, ausgewogen über alle relevanten politischen Kräfte zu berichten.
Wie das zum Beispiel die ARD auf Tagesspiegel-Anfrage auch betonte: „Da kein Parteiverbot vorliegt, wird sie weiterhin im Rahmen der politischen Berichterstattung berücksichtigt“.
Fakt ist auch, dass in der Praxis AfD-Politiker_innen in Talkshows bislang eher unterrepräsentiert waren (2024 stellten sie nur etwa 2,6 % der Gäste (Quelle: tagesspiegel.de), ein möglicher Hinweis darauf, dass Redaktionen bereits vorsichtig abzuwägen scheinen. Inwiefern sich diese Zahl allerdings durch die Bundestagswahl und die Dauerpräsenz der AfD in den TV-Sendungen in 2025 ändert, werden wir sehen.
Immerhin: Tino Chrupalla konnte noch letzten Freitag Abend direkt nach Innenministerin Faeser im ARD-Brennpunkt auftreten (und diesen Auftritt direkt für die altbekannte Geschichte vom verfolgten Opfer AfD nutzen - Quelle: tagesspiegel.de). Solche Fehler sollten sich Sender nicht länger leisten.
Denn: Dass die AfD demokratisch gewählt wurde, verschafft ihr kein Anrecht auf grenzenlose Präsenz in den Medien. Ein Mandat ist kein Freifahrtschein für rechtsextreme Propaganda. Gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den Auftrag, die demokratische Grundordnung zu schützen – und nicht, Extremist_innen eine Bühne zur Verbreitung von Hass zu bieten. Auch der Deutsche Journalisten-Verband fordert, bei Berichten nun stets klarzumachen, dass die AfD keine normale demokratische Partei ist (Quelle: DJV)
Natürlich sollen Medien weiterhin über die AfD berichten, aber kritisch und kontextualisiert. Journalist_innen müssen falsche Behauptungen sofort einordnen und widersprechen, anstatt der AfD ein Forum für ihre Opferinszenierung zu bieten. (Quelle: tagesspiegel.de)
Demokratisch gewählt – ja. Aber die AfD hat sich durch ihr eigenes Handeln außerhalb des demokratischen Konsenses gestellt. Ein verantwortungsbewusster Sender kann daher guten Gewissens die Einladungspraxis überdenken, ohne die gebotene Ausgewogenheit zu verlieren. Demokratische Legitimation bedeutet nicht, dass alle Dämme brechen müssen.
Apropos AfD-Politiker im Interview: Die Begründung des Verfassungsschutzes liest sich (in Ausschnitten) wie folgt: “Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar. Es zielt darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen.”. (Quelle: Verfassungsschutz.de).
Ein Interview, was ich uns allen an’s Herz lege, die verstehen wollen, wo sich das deutlich macht:
Auf die Frage, wer nach seiner Auffassung zum deutschen Volk gehöre, sagte Tino Chrupalla in diesem ZDF-Interview vom 2.5.2025: “Wir haben eine ganz klare Definition, die auch in unserem Grundsatzprogramm hinterlegt ist, und auch im Parteiprogramm hinterlegt ist, es gibt natürlich zwei Gruppen, die nicht unterscheidbar sind. Das sind diejenigen, von Hause aus Abstammung haben, aus der deutschen, aus der deutschen, als Deutscher, und auch diejenigen die natürlich vom Grundgesetz her Passdeutsche sind, die die Staatsbürgerschaft über das Passwesen erlangt haben.”
Ausrede 3: „Wir müssen die AfD inhaltlich stellen, nicht mit einem Verbot.“
Viele Politiker_innen argumentieren jetzt, man solle die AfD besser politisch/inhaltlich stellen, als zum Beispiel durch ein Verbot. Inhaltlich stellen heißt für sie: die AfD argumentativ entlarven, bessere Lösungen anbieten und ihre Wähler zurückgewinnen. So betonte Markus Söder (CSU) nach der Einstufung „für Feinde der Demokratie kann es null Toleranz geben“, aber ebenso: „Keine Dämonisierung, aber auch keine Relativierung“. Die CSU wolle die AfD durch gutes Regieren entlarven (Quelle: tagesschau.de).
Auch abseits der Union gibt es Stimmen, die vor einem Verbotsverfahren warnen. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) argumentiert, ein Parteiverbot löse keine langfristigen Probleme: “Wenn man die AfD nicht inhaltlich stellt, wird sich auch in den Köpfen kaum eine Wende vollziehen.” (Quelle: freiheit.org).
Inhalte statt Verbot – das klingt auf den ersten Blick vernünftig, hat aber übrigens in den letzten Jahren kaum bis null verhindert, dass die AfD immer stärker wurde. Natürlich muss die Demokratie die AfD politisch stellen: mit Fakten, mit guter Politik, mit Streit in der Sache. Doch das „Entweder-Oder“ greift einfach zu kurz. Ein Verbotsverfahren schließt ja außerdem eine inhaltliche Auseinandersetzung nicht aus.
Die Wahrheit ist: Alle Appelle, die AfD inhaltlich zu entzaubern, haben deren Aufstieg bislang nicht gebremst. Das ist übrigens auch wissenschaftlich wieder und wieder bewiesen. Weder harte Debatten im Bundestag noch zahllose Faktenchecks haben die Stammwählerschaft umgestimmt. Im Gegenteil: Wissenschaftliche Studien weisen nach, dass die AfD auch wegen ihrer (rechtsextremen) Inhalte gewählt wird (eine der Jüngeren stammt übrigens von der CDU-nahen Konrad Adenauer-Stiftung, Quelle: Instagram/Monitor)
Wenn aber eine Partei erwiesenermaßen verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, dann darf ein Staat aus meiner Sicht nicht warten, bis sich die besseren Argumente endlich durchsetzen - er sollte dann zum äußersten Mittel greifen.
Das heißt übrigens nicht, man solle die politische Auseinandersetzung nicht führen. Das heißt einfach nur, dass man Gefahr gleichzeitig auch konsequent abwehrt.
Wir sollten beides tun: Wirklich endlich konkrete bessere Politik erwarten und einfordern und gleichzeitig der AfD juristisch das Handwerk legen, falls notwendig. Tatsächlich bietet die AfD in der inhaltlichen Diskussion keine konstruktiven Lösungen – ihr Ziel ist die Schwächung der Demokratie, das menschenfeindliche Hetzen auf Menschen. Diesem Ziel darf man nicht tatenlos zusehen, nur weil man noch auf einen fairen Sieg in der Diskussion hofft.
Ausrede 4: “Wir füttern mit der Einstufung (oder einem Verbot) nur das Opfernarrativ der Partei.”
Ja, die AfD schlachtet jede Maßnahme gegen sie propagandistisch aus. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Einstufung veröffentlichte die Parteispitze eine Pressemitteilung, in der von einem „schweren Schlag gegen die bundesdeutsche Demokratie“ die Rede war (Quelle: zdf.de).
Alice Weidel und Tino Chrupalla inszenierten die Entscheidung des Verfassungsschutzes als angeblich undemokratischen Akt – nach dem Motto: Der Staat und die etablierten Parteien hätten sich verschworen, die AfD zu vernichten. (Quelle: zdf.de) Das Narrativ der verfolgten Unschuld gehört seit jeher zum Kernrepertoire der AfD.
Also: Ja, die AfD wird sich als Opfer stilisieren – na und? Die Angst vor dem Opfernarrativ darf uns nicht lähmen. Es gehört geradezu zur Strategie der AfD, jede Gegenwehr als Beleg für ihre vermeintliche Opferrolle zu nutzen. Wer sich deshalb davon abhalten lässt, konsequent zu handeln, überlässt der AfD die Initiative.
Ein Verfassungsschutz, der seine Erkenntnisse zurückhält, oder ein Staat, der auf ein mögliches Verbot verzichtet, nur um das Geschrei der AfD zu vermeiden, macht sich erpressbar.
Im Übrigen: Die AfD stilisiert sich auch ohne Verbotsverfahren, ohne eine bundesweite Einstufung zum Opfer. Es ist ein Mythos zu glauben, man könnte der AfD diese Masche nehmen, indem man sie schont. Vielmehr gilt es, der Bevölkerung klarzumachen, dass hier keine „bürgerliche Opposition“ verfolgt wird, sondern eine als extremistische eingestufte Partei zur Rechenschaft gezogen wird.
Klar ist: Wer Recht bricht, Menschenfeindlichkeit und völkisches Gedankengut nicht nur propagiert, sondern nachgewiesen schürt und die Demokratie bekämpft, ist kein Opfer, sondern Täter und Täterin– das muss kommunikativ deutlich gemacht werden.
Ausrede 5: “Wir müssen über die Rolle des Verfassungsschutzes sprechen und nicht über die AfD.”
Natürlich muss eine offene Gesellschaft immer auch die Sicherheitsbehörden kritisch im Blick behalten. Nicht nur bei der AfD (die jetzt gegen den Verfassungsschutz Klage eingereicht hat), sondern auch in anderen Reihen wird die Rolle des Verfassungsschutzes hinterfragt – allerdings aus anderer Perspektive.
Zum Beispiel, dass das 1100-seitige Beweis-Gutachten der Behörde bisher unter Verschluss bleibt, was Fragen zur Transparenz aufwirft (Quelle u.A.: n-tv.de).
Und natürlich ist die historische Performance des Verfassungsschutzes nicht unumstritten (Stichwort NSU-Versagen, V-Leute-Skandale, oder ein ehemaliger Chef, der den Rechtsextremen nicht abgeneigt ist). Diese Debatte darf geführt werden: Wie wehrhaft und zugleich kontrolliert agiert unser Inlandsgeheimdienst?
Aber wenn wir jetzt hauptsächlich über den Verfassungsschutz reden, machen wir genau das, was die AfD herbeisehnt: Wir verlieren den Fokus. Die Fakten liegen auf dem Tisch – die AfD ist als gesichert extremistisch eingestuft. Dieses Ergebnis wird nicht dadurch weniger wahr, dass Haldenwangs Behörde es festgestellt hat.
Die Empörung der AfD über angeblich „politische“ Geheimdienst-Machenschaften ist schlicht Ablenkung: Wie der Journalist Nikolaus Blome bei n-tv.de kommentiert: Dieser reflexhafte Vorwurf entbehre jeder Grundlage und offenbare vielmehr eine Partei, “die eine ganz andere Republik will”.
Selbstverständlich müssen Verfassungsschutz und Regierung transparent erklären, wie die Einstufung zustande kam – und ja, hier gibt es Nachholbedarf (siehe oben).
Aber diese Diskussion darf doch die eigentliche Aussage nicht verdrängen? Wer jetzt lieber über Behördenstrukturen philosophiert, drückt sich davor, die AfD beim Namen zu nennen: als das, was sie ist – eine Gefahr für die freiheitliche Ordnung. Alles Gerede über vermeintliche “Instrumentalisierung” spielt der Partei in die Karten.
Kurz: Don’t shoot the messenger. Konzentrieren wir uns auf die Botschaft, die er überbringt und zwar auf deren Kern.
Und der Kern ist: Die AfD wurde aufgrund ihrer rassistischen und völkischen Gesinnung neu eingestuft.
Oder wie es der Sozialwissenschaftler Cihan Sinanoglu am Samstag so klug und treffend auf Instagram schrieb: “Für manche ist das ein Diskurs über Meinungen. Für andere geht es um Abschiebung, Angst - und Existenz. Es geht um unser Leben."
Wir müssen weniger über Meinungen diskutieren - denn während es für manche leicht ist, über unterschiedliche Meinungen pro/contra-ein-Verbot-Verfassungsschutz-ja-nein-Einstufung-Opferrolle noch zu reden, geht es für so viele um so viel mehr. Und darüber müssen wir reden. Dafür müssen wir uns alle einsetzen.
Also endet dieser Newsletter mit einem Plädoyer:
Schreibt den Politiker_innen, die schweigen - oder die offenkundige Ausreden nutzen, um das eigentliche Thema zu verschleiern, kleinzureden, das Problem zu entproblematisieren. Flutet ihre Postfächer. Unterschreibt Petitionen. Schreibt, tippt, mailt an Redaktionen, aber vor allem auch an Programmdirektor_innen und Intendant_innen von öffentlich-rechtlichen Anstalten.
Wer sich fragt, wo die Menschen sind, die nach der Correctiv-Recherche zu Hunderttausenden auf die Strasse gingen: Wir alle können das wiederholen, indem wir jeden Tag Entscheider_innen daran erinnern, dass wir eine Stimme haben. In Emails, in Briefen, in Anrufen.
Wir können daran erinnern, der öffentlich-rechtliche Rundfunk für alle da ist - auch für die 80%, die die AfD nicht gewählt haben. Dass der eine Kanzler, dem man viel Schweigen an falscher Stelle, und schlechte Kommunikation vorwarf, gerade abgewählt wurde - und der Nächste es anders machen sollte.
Wir alle können und sollten uns einmischen. Für einander.
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Danke, Franzi. Du hast Recht: Wir müssen uns als Gesellschaft wirklich die Frage stellen, ob wir Andersdenkende ausgrenzen wollen oder nicht. Und ob das Deutschland – und der Gesellschaft – gut tut, oder nicht.
Was Ausgrenzung Andersdenkender tut, kann jeder im Film "Das Leben der Anderen" nachfühlen.
Ich frage mich, ob die AfD-Wähler sich wünschen, dass wir sie behandeln, wie sie Andersdenkende behandeln. Der Maßstab muss ja für alle gelten.
Darf die Demokratie dann beschließen, dass die aktuell 25% der AfD-Wähler nicht zu unseren Vorstellungen passen und wir nichts mit ihnen zu tun haben wollen? Also Leistungen verweigern, abschieben, schikanieren?
OK, wrsl vollkommen sinnlos nachzufragen, aber die Hoffnung stirbt zuletzt: " Die Fakten liegen auf dem Tisch – die AfD ist als gesichert extremistisch eingestuft. Dieses Ergebnis wird nicht dadurch weniger wahr, dass Haldenwangs Behörde es festgestellt hat. "
Das Problem ist, wie Sie ja eigtl auch korrekt festgestellt haben, dass die Fakten eben nicht auf dem Tisch liegen, und es insofern für all die, die nicht sowieso schon von der Wahrheit dieser Einstufung überzeugt sind, doch sehr wichtig ist, wie die Einstufung begründet wird. Mir scheint da eine starke Schlussfolgerungs - Diskrepanz vorzuliegen zwischen Ihrer korrekten Kritik am Verfassungsschutz hinsichtlich Transparenz & track record auf der einen, und Ihrer Behauptung, dies sei aber in diesem Fall irrelevant auf der anderen Seite.
Es ist m.E. deshalb hochgradig relevant, weil ein Verbot der mit Abstand größten Oppositionspartei einer Demokratie gar nicht gut tun kann und insofern auf keinen Fall durch lückenhafte Argumentation in der Begründung begleitet sein darf.
Anders formuliert: ein AfD-Verbot könnte je nach Sachlage das geringste Übel sein (glaube ich ehrlich gesagt nicht, aber könnte mich ja irren), es wird aber ganz sicher nicht das geringste Übel sein, wenn es mit dem G'schmäckle der Mauschelei verbunden ist.
Wie sehen Sie das?