🎄 Spezial: 3 Fake-News-Hacks im Advent🎄
Wie du Lügen enttarnst, widersprichst PLUS ein KI-Prompt gegen Falschmeldungen
Alle Jahre wieder lösen in Deutschland bestimmte Feiertage und Bräuche einen vorhersehbaren Eklat aus: Weihnachtsmärkte dürften nicht mehr so heißen. Christliche Traditionen seien in Gefahr!11! Schuld daran? Sucht euch was aus: Wokeness. Angebliche Islamisierung. Die da oben.
Was dahinter steckt? In vielen Fällen rechtsextreme Agitation.
🎄 Zum Beispiel, wenn Fake News verbreitet werden, dass Weihnachtsmärkte nicht mehr so heißen dürfen, weil: Angebliche Islamisierung “unsere” christlichen Werte killt. Das ist 1. gefährlich und absichtlich rassistisch und 2. historisch einfach falsch. Weihnachtsmärkte haben schlicht keinen christlichen Ursprung.
Deshalb gibt es heute *aus Gründen* in dieser Sonderedition 3 konkrete Tipps, wie wir mit Fake News - nicht nur zur Weihnachtszeit - umgehen können. Und wie wir reagieren können, wenn zum Beispiel Politiker_innen unter dem Vorwand “christliche Traditionen schützen zu wollen” solche Fake News verbreiten.
1. Rechtspopulistische, diskriminierende Taktiken erkennen - und benennen.
🎄 Nehmen wir ein aktuelles Beispiel:
Das Onlineportal “NIUS” (zu diesem Portal empfehle ich sehr die Doku von Jan Böhmermann) widmet sich in einem Kommentar dem Thema Weihnachten. Darin wird unter der Überschrift "Wokes Wolfsburg: Weihnachtsmarkt heißt hier 'Winterwunderland'" unter anderem behauptet, dass sich Wolfsburg nicht mehr traue, das "Zauberwort 'Weihnachten'" auszusprechen und dass es sogar statt eines Weihnachtsbaumes einen Wünschebaum gebe. (Quelle: tagesschau.de)
🎄Fakt ist:
Der Wolfsburger Weihnachtsmarkt heißt weiterhin Weihnachtsmarkt, das steht auch so auf der Homepage der Stadt Wolfsburg. Eine andere Aktion, welche die Autostadt Wolfsburg ausrichtet, heißt Winter Wonderland. Und zwar: Seit 2007. Weil ihre Veranstaltung nicht in erster Linie auf Weihnachten, sondern auf andere Attraktionen rund um Winter gemünzt ist. (Quellen: Volksverpetzer, tagesschau.de, mimikama.at)
Auf der Veranstaltung der Autostadt Wolfsburg gibt es sowohl einen Weihnachtsbaum als auch einen sog. einen Wünschebaum. "Dabei handelt es sich um eine gemeinsame Aktion mit der Initiative 'Schenke ein Lächeln', die sich für benachteiligte Kinder einsetzt", erklärt der Pressesprecher der Autostadt, Eric Felber bei Tagesschau.de. Die Kinder würden ihre Weihnachtswünsche auf Karten schreiben, die dann an den Baum gehängt werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Autostadt würden diese Karten vom Baum nehmen und die Wünsche erfüllen. (Quelle: tagesschau.de)
🎄Die Vorgehensweise solcher Falschmeldungen ist klare Taktik:
Sie nutzen die emotionale Bedeutung: Weihnachten ist ein Fest, das mit starken Emotionen und einer Vielzahl von Traditionen verbunden ist. Diese emotionale Bindung macht es zu einem idealen Ziel für Manipulationen.
Sie setzen auf breite Betroffenheit: Ein Großteil der Gesellschaft feiert Weihnachten - ganz unabhängig von der religiösen Bedeutung. So können Falschmeldungen potentiell bei einer großen Menge an Personen andocken.
Dazu kommt: Der jährliche Turnus von Weihnachten bietet eine verlässliche Plattform für wiederkehrende Kampagnen, also die Möglichkeit, alte Narrative aufzuwärmen und an aktuelle Themen anzupassen.
Sie schüren Verlustängste: Das Ziel ist es, die emotionale Verbundenheit mit Weihnachtstraditionen für Ängste zu missbrauchen:
Es wird suggeriert, dass vertraute Bräuche und Symbole bedroht seien. Dabei wird die angebliche Gefahr oft mit Themen wie Migration oder angeblicher "Islamisierung" verknüpft.
Besonders gerne werden dafür Umbenennungen oder Neugestaltungen von kommerziellen Produkten als vermeintliche Beweise für den “Angriff auf die Tradition” genutzt, die dann als angebliche Bedrohung dargestellt werden.
Als Beispiel: "Schoko-Hohlfiguren" statt "Weihnachtsmänner": Jedes Jahr machen aufs Neue Fotos von angeblich “umbenannten” weihnachtsmännern (oder Osterhasen” die Runde, die man “nicht mehr so nennen dürfe”. Dabei werden diese Art von Schokofiguren nunmal “Hohlfiguren” genannt, die Marken dazu nennen ihre jeweiligen Produkte, wie sie möchten. Ein aktuelles Hohlfigurenbeispiel findet ihr auch in diesem Tagesschau-Artikel.
Sie fördern die gesellschaftliche Spaltung, denn Falschmeldungen zu Weihnachten zielen darauf ab:
Die Gesellschaft zu spalten und Feindbilder zu schüren.
Die Gesellschaft wird in ein "Wir" gegen "Die" gespalten, und komplexe gesellschaftliche Prozesse auf einfache Erklärungsmuster zu reduzieren.
Das Vertrauen in demokratische Institutionen zu untergraben, indem politisch Verantwortlichen unterstellt wird, traditionelle Werte zu missachten und die “Kontrolle darüber zu verlieren”. (Quellen: Anleitung zum Widerspruch, tagesschau.de)
2. Wenn es um “christliche Traditionen” geht: Immer kritisch bleiben - oder einfach echte Christentums-Profis fragen.
🎄 Nehmen wir wieder das aktuelle Beispiel des NIUS-Kommentars:
Die Tagesschau hat in einem sehr guten Übersichtsartikel erklärt, was aus dem Bericht wurde:
Eine AfD-Politikerin griff den NIUS-Bericht auf und postete dazu die Aussage: "Dieses Fest ist ein fester Bestandteil unserer christlichen Kultur, an dem traditionell ein Weihnachtsbaum aufgestellt wird und kein 'Wünschebaum'. Wenn dies unseren muslimischen Mitbürgern nicht passt, dann sollen sie den Weihnachtsmärkten fern bleiben." (Quelle: tagesschau.de)
🎄 Geht es hier tatsächlich um christliche Kultur? Mitnichten.
🎄 Stattdessen werden Falschinformationen rund um Weihnachtstraditionen oft genutzt um:
Gegen bestimmte Gruppen zu hetzen und rassistische Stereotype zu bedienen:
Feindbilder zu konstruieren: Dabei werden zum Beispiel Migranten als angebliche Bedrohung für "christliche" Traditionen dargestellt, was einen künstlichen, erfundenen Konflikt suggeriert.
Ängste zu instrumentalisieren: Dabei werden diffuse Ängste vor Veränderung auf ethnische oder religiöse Gruppen projiziert, während reale Probleme wie soziale Ungleichheit ignoriert werden.
Diskriminierung zu verharmlosen: Rassistische Äußerungen werden als "Verteidigung der eigenen Kultur" legitimiert, während Kritik daran als "politische Korrektheit" abgetan wird.
🎄 Dazu kommt:
Mit den christlichen Ursprüngen, an die so gerne erinnert wird, haben die meisten Traditionen wenig zu tun. Dazu drei konkrete Beispiele:
Der Weihnachtsbaum: Der Tannenbaum hat keinen christlichen Ursprung - in der Bibel steht nichts davon. Als fester Brauch entwickelte sich der Weihnachtsbaum auch erst im 19. Jahrhundert. Die ganze Geschichte dazu findet ihr zum Beispiel in diesem NDR-Artikel.
Der Osterhase: Laut dem Brauchtumsforscher und katholischen Theologe Manfred Becker-Huberti tauchte der Hase, der Eier brachte, überhaupt erst im 17. Jahrhundert zum 1. Mal in einer Dissertation auf. Becker-Huberti vermutet, dass der Hase aufgrund der Form seiner Kötel in Verbindung mit den Eiern gebracht worden sei.
Der Weihnachtsmarkt: Weihnachtsmärkte tauchten erstmals im Mittelalter auf und hatten die Funktion, Menschen mit dem zu versorgen, was sie nicht selbst für die Feiertage herstellen konnten. Der Erlebnischarakter kam erst später dazu, vorwiegend zum Ende des 19. und im 20. Jahrhundert. Was die Weihnachtsmärkte laut Brauchtumsforscher Becker-Huberti sowieso nie hatten: einen christlichen Ursprung. “Die Märkte hatten immer etwas mit Kommerzialisierung zu tun. Das war nie eine liturgische, missionarische oder katechetische Veranstaltung. Wenn überhaupt war das christliche Element etwas, was man ›dazustellte‹, eine Krippe zum Beispiel, das war aber nie der eigentliche Grund, einen solchen Markt durchzuführen.” (Quelle: Interview mit Becker-Huberti aus “Anleitung zum Widerspruch” von Franzi von Kempis)
🎄 Außerdem:
Der Verlust christlicher Traditionen fußt in erster Linie auf der Entchristianisierung in einer immer mehr säkularisierten Gesellschaft.
Der katholische Theologe und Brauchtumsforscher Becker-Huberti beschreibt es als eine fortschreitende Entfernung von Glaube und kirchlichen Bräuchen in der Gesellschaft: “Es findet eine grundsätzliche Entchristianisierung statt.”
Eine fortschreitende Entchristianisierung trüge auch zum Verschwinden so mancher christlicher Bräuche bei, meint der Theologe: “Bei uns findet auf breiter Front ein Glaubensverlust statt. Glaube lebt davon, dass er umgesetzt wird. Liturgisch wird er in der Kirche umgesetzt und im Brauchtum außerhalb der Kirche. Religiöses Brauchtum übersetzt das, was in der Liturgie stattfindet, in den Alltag, und das findet immer weniger statt.” (Quelle: Interview mit Becker-Huberti aus “Anleitung zum Widerspruch” von Franzi von Kempis)
🎄Wie antworte ich also jemandem, der im Namen “christliche Traditionen” agiert, nur um sie gegen andere Religionen auszuspielen?
Ich sollte fragen, wie sehr er oder sie sich selbst in seinem Verhalten und Tun am Christentum orientiert. Theologe Becker-Huberti fasst eine christliche Einstellung so zusammen: “Es geht nicht um die Unterscheidung zwischen “gehörst du zu mir oder gehörst du nicht zu mir”. Der Begriff Pilger kommt aus dem hebräischen Wort ›Fremder‹, der Fremde wird zum Nächsten. Genau das wird im Christentum beschrieben: Keiner ist ein Fremder. Und selbst wenn einer mit mir nichts zu tun hat und sich anders orientiert, muss ich ihm begegnen wie meinem Bruder oder meiner Schwester. Das will das Christentum eigentlich umsetzen. Wer sich auf das Christentum beruft, der wird an dieser Stelle zu prüfen haben, ob er das auch so hält. Wer das nicht so hält, beruft sich auf etwas, mit dem er eigentlich nichts zu tun hat.” (Quelle: Interview mit Becker-Huberti aus “Anleitung zum Widerspruch” von Franzi von Kempis)
3. Nutze KI für deinen Faktencheck
Grundsätzlich gilt: Es gibt großartige Faktencheck-Seiten, die man durchforsten kann. Zum Beispiel: Mimikama.at, der ARD-Faktencheck oder Correctiv.
Für alle, die ihre eigene Faktencheck-Liste, zum Beispiel um internationale, englischen Factchecking-Seiten oder “who to follow-Empfehlungen” noch ergänzen wollen: Meldet euch, ich schicke euch gerne meine Liste per Mail (sie alle hier reinzukopieren hätte diesen Newsletter SEHR lange gemacht;))
Bei Bildern, die euch komisch vorkommen:
Bilderrückwärtssuche verwenden: Mit der Bilderrückwärtssuche könnt ihr herausfinden, wo ein Bild bereits im Internet verwendet wurde und ob es in einem Faktencheck auftaucht. Dazu können ihr Dienste wie Google Bilder oder TinEye nutzen. Einfach das Bild hochladen oder die Bild-URL eingeben.
Google-Funktion „Informationen zu diesem Bild“ nutzen: Google bietet die Funktion „Informationen zu diesem Bild“ an, die Kontext und Hintergrundinformationen zu einem Bild liefert. Klickt in der Google Bildersuche auf die drei Punkte neben einem Bild, dann erfahrt ihr mehr über dessen Ursprung und Verwendung.
→ Ebenso könnt ihr eure Frage, Unsicherheit oder die quere Info aus einem Whatsappstatus auch einfach googlen.
🎄 Oder ihr nutzt KI:
Für alle, die solche Infos gerne mit KI checken lassen wollen der wirklich wichtige Disclaimer: Chat GPT und Co sind keine Suchmaschinen und ihre Ergebnisse sollten immer nochmal menschlich überprüft werden.
Aber du kannst mit Hilfe der richtigen prompts und Nachfragen auch der ein oder anderen Fake News auf die Spur kommen.
🎄 Es gibt bei Chat GPT zum Beispiel fertige Fact Checking Custom GPTS, die ihr nutzen könnt:
Ich nutze sehr gerne diesen Chatbot (ist englisch, funktioniert aber auch meistens auf deutsch).
Ebenfalls habe ich gestern diesen (basiert auf deutschem Prompt und Training) entdeckt.
Ihr könnt Chat GPT (oder Perplexity etc.) auch einfach selber fragen. Again: Chat GPT und Co sind keine Suchmaschinen.
Aber ich habe euch hier als Beispiel einen Prompt für Chat GPT vorformuliert, der für euch eine vorgegebene Liste an Fact Checking Seiten durchsucht: Viel Spaß beim Testen und schreibt mir, ob das für euch funktioniert hat!
Für viele meiner Prompts verwende ich übrigens diese Methode von Barbara Lampl, die ich allen Interessierten als Follow empfehle und deren Methode ihr in Kurzversion hier findet.
🎄Prompt🎄
“Ich möchte eine Behauptung auf Korrektheit überprüfen, basierend ausschließlich auf einer vorgegebenen Liste von Quellen. Hier sind die Anforderungen:
Die Behauptung lautet: „Das Online-Portal Nius behauptet, der Wolfsburger Weihnachtsmarkt darf nicht mehr Weihnachtsmarkt heißen.“ Stimmt das?
Nutze ausschließlich die folgende Quellenliste zur Überprüfung:
Vorgehen:
Überprüfe die genannten Quellen manuell oder durch gezielte Suchfunktionen auf den Webseiten.
Suche ausschließlich nach direkten Informationen zur Behauptung oder inhaltlich klar verwandten Aussagen.
Falls keine Informationen gefunden werden, stelle dies klar fest, ohne andere Quellen zu verwenden.
Antwortstruktur:
Ergebnis: Beginne mit einer klaren Aussage: „Die Behauptung wurde gefunden“, „Keine Belege gefunden“ oder „Die Behauptung konnte weder bestätigt noch widerlegt werden.“
Analyse: Erkläre kurz, was die Quelle über die Behauptung sagt (z. B. „Die Quelle widerlegt die Behauptung, da...“).
Quelle: Gib die genaue Quelle mit Link und Zitat oder Paraphrase der relevanten Stelle an.
Ton der Antwort:
Halte die Antwort sachlich, zusammenfassend und neutral. Nutze eine klare und strukturierte Sprache. Formuliere maximal zwei Absätze, sofern keine komplexen Sachverhalte erörtert werden müssen.”
🎄 Das war’s für heute. Wenn ihr in eurem Team, eurer Belegschaft oder eurem Verband mehr Wissen über Desinformation, Fake News oder rechtsextreme Narrative (off oder online) etablieren wollt: Meldet euch gerne für Vorträge oder Workshops. 🎄
🙋🏼♀️ Franzi als Politik- und Kommunikationsberaterin buchen:
Zum Beispiel für:
Strategien zur Positionierung und im Umgang mit gesellschaftspolitischen Themen: Ich entwickle politische Kommunikation für Führungskräfte in Unternehmen, Verbänden, NGOs (z.B. zur Bundestagswahl 2025).
Workshops & Formate: Kommunikation, Demokratie am Arbeitsplatz, KI, Social Media-Strategie und Rhetorik (z.B. Umgang mit Populismus).
Kommunikation & KI: Einsatz in politischer Kommunikation (z.B. in Pressestellen, im Wahlkampf), gegen Desinformation, Hatespeech & die AfD.
Keynotes, Vorträge und Panels zu Kommunikation, Demokratie, Populismus oder KI.
Mehr zu mir findet ihr hier.
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📖 Mein Sachbuch “Anleitung zum Widerspruch” liefert klare Antworten auf Parolen, Vorurteile und Verschwörungstheorien. Das Buch erklärt dir, was du sagen kannst, wenn du schlicht nicht weiter weißt und dich sprachlos fühlst. Zum Beispiel: Was sage ich bei rassistischen Sprüchen, wie reagiere ich auf Antisemitismus und kann ich lernen besser zu streiten (Spoiler: Ja!)?