Über rechte Parolen reden, ohne die Nerven zu verlieren
Deine Strategie für erfolgreiche, konstruktive Diskussionen
Hallo und herzlich Willkommen zur neuen Folge von Adé AfD,
Wie führen wir Gespräche über rechte Parolen, extreme Ansichten oder AfD-Programm-Aussagen? Oft heißt es, dass wir alle zuhause, im Bekanntenkreis, im Alltag darüber sprechen sollen, weil der größte Effekt da entsteht, wo wir direkt anknüpfen können.
Wie machen wir das, ohne sinnlosen Streit (für beide), einen Wutanfall (bei dir) oder keinen Effekt (für alle) ? Das habe ich Sozialpsychologin Pia Lamberty gefragt, die uns sechs wichtige Gesprächstipps mitgibt. Dazu bekommt ihr von mir jeweils konkrete Vorschläge für die direkte Umsetzung.
📝 Über rechte Parolen reden, ohne die Nerven zu verlieren
Pia Lamberty: “Ideologie checken: Ist das Gegenüber vollkommen überzeugt, oder hat es etwas falsch aufgeschnappt? Je stärker die Ideologie, desto weniger überzeugen Fakten und man muss die Person über andere Wege erreichen.”
🗣️ Franzis Tipp: So einen anderen Weg skizziert zum Beispiel die ARD-Doku “Wir waren in der AfD - Aussteiger berichten”. Eine Protagonistin erzählt, dass ihr beim Ausstieg vor allem half, dass ihre Familie sie ohne Vorwürfe und Diskussionen annahm. Ein anderer Aussteiger appelliert gegen die Distanzierung: “Treten sie näher an den Menschen heran, verbringen Sie Zeit mit ihm, verbringen sie gute Zeit mit dem Menschen. (..) Über die Beziehung, über die emotionale Beziehung geht’s am ehesten. (…) Gegen Argumente sind die Menschen irgendwann immun. Aber nicht gegen die Gefühle.”
Pia Lamberty: “Motivation checken: Über Gespräche lässt sich oft herausfinden, warum das Gegenüber dieses Weltbild hat. Insbesondere wenn jemand noch nicht vollkommen überzeugt ist, kann man über diesen Weg etwas erreichen.“
🗣️ Franzis Tipp: Psychologische Reaktionsmuster zu kennen und zu verinnerlichen hilft bei schwierigen Gesprächen. So kann man besser verstehen, warum das Gegenüber zumacht oder hart gegensteuert. In der Psychologie ist das Konzept der Reaktanz bekannt. Reaktanz bedeutet, dass wir in Situationen, in denen wir vermuten, dass unsere Freiheitsräume bedroht oder eingeschränkt werden, dazu neigen, gegenzusteuern. Zum Beispiel: Eine Maskenpflicht oder ein Verbrennerverbot (“Jetzt kaufe ich mir erst Recht einen SUV” vs “Auf keinen Fall trage ich so ein Ding”). Mehr Infos zum Reaktanzphänomen gibt es u.A. hier.
Pia Lamberty: “Ziel festlegen: Es hilft oft, sich zu überlegen, was man eigentlich erreichen möchte. Soll der Onkel nicht mehr so viel auf Telegram sein? Soll die Tante nicht die AfD wählen? Wenn ihr ein Ziel habt, hilft es, sich passende Schritte zu überlegen.”
🗣️ Franzis Tipp: Mit einem konkreten Ziel kannst du dich genauer auf die Bedürfnisse deines Gegenübers konzentrieren. Frage dich und deine Tante, was sie bewegt, was ihr wichtig ist. Ein Beispiel: Nehmen wir an, deine Tante ist katholisch und geht regelmässig in die Kirche. Diese Woche haben sich die katholischen Bischöfe scharf von der AfD und Rechtsextremismus abgegrenzt. Statt direkt über die AfD zu sprechen, könntest du mit ihr über die Erklärungen der Bischöfe diskutieren; du gehst über ein Thema, das ihr ohnehin am Herzen liegt und hast einen Absender, den sie möglicherweise respektiert.
Pia Lamberty: “Ich-Botschaften: Eine aggressive Kommunikation führt meistens nicht zum gewünschten Erfolg. Wer mit Vorwürfen arbeitet, wird die Gegenseite oft nicht erreichen.”
🗣️ Zwei ergänzende Vorschläge von Franzi für weniger Argumente-Pingpong und mehr Besonnenheit:
Statt noch mehr Argumente die persönliche Ebene wählen. Erkläre, welche Auswirkungen aktuelle politische Ereignisse auf dich und/oder dein Umfeld haben könnte. Benenne deine eigenen Ängste konkret. Zum Beispiel: "Mir macht es Angst, dass du eine Partei unterstützen willst, die meine Rechte als Frau einschränken will." Idealerweise ist dein Gegenüber offen, dir zuzuhören, sobald es merkt, dass du aufrichtig besorgt ist.
Achte auf deine Wortwahl. Bei Diskussionen fallen schnell Begriffe, die das Gegenüber sofort negativ auffasst. Der Tagesspiegel hat ein kleines Glossar erstellt, dass u.A. die Begriffe rechts und links einordnet. Im Focus findest du eine Analyse, die sich u.A. mit den Begriffen der sog. politischen Mitte beschäftigt.
Pia Lamberty: “Durchatmen: Wer wirklich jemanden erreichen möchte, braucht Geduld. Ein Weltbild zu dekonstruieren, benötigt Zeit. Wer zu schnell zu viel erwartet, wird vor allem frustriert sein.”
🗣️ Franzis Tipp: Frust bei dir und deinem Gegenüber vermeidest du auch, in dem du bei Unklarheiten nachfragst: “Wie hast du das gemeint"?” Du gewinnst so Zeit für deine Reaktion und verstehst zugleich die Beweggründe deines Gegenübers besser. Sehr aktuell sind dazu diese 10 Tipps für eine bessere, ruhigere Debatte von Romy Jaster und David Lanius aus 2017.
Pia Lamberty: “Rote Linien: Spätestens dann wenn menschenverachtende Aussagen getätigt werden, ist eine Linie überschritten. Das sollte klar angesprochen werden.”
🗣️ Es ist nicht immer leicht, die Grenzen unseres Rechts auf Meinungsäußerung zu verstehen, oft sind sie fließend. Während die einen schon Zensur schreien, ist für andere bereits eine Grenze überschritten. Es genügt übrigens einfach "Stopp, bis hierhin und nicht weiter" zu sagen. Du musst nicht immer alles ausführlich erklären. Wichtig ist, deutlich zu machen, dass etwas für dich nicht akzeptabel ist - zum Beispiel wenn es sich um eine bestimmte Formulierung handelt (mehr Kontext und Tipps, wie ihr konstruktive, faktenbasierte Diskussionen führen könnt, findet ihr in Franzis Buch “Anleitung zum Widerspruch”.)
➡️ Pia Lamberty ist Sozialpsychologin, sie forscht und berät zu Verschwörungsideologien, Desinformation, Antisemitismus und Rechtsextremismus. Sie leitet außerdem das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), eine gemeinnützige Organisation, die Aktivitäten in diesen Bereichen erforscht und analysiert. Ihr Buch “Fake Facts – Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen” (mit Co-Autorin Katharina Nocun) , empfehle ich allen, die sich mehr mit Verschwörungsideologien beschäftigen wollen (oder müssen). Ebenso ihren Instagramkanal, auf dem sie regelmässig spannende Forschungserkenntnisse und konkrete Tipps teilt.
Das war’s für diese Woche - ich wünsche euch einen guten Start und noch bessere Diskussionen.
Viele Grüße,
Franzi
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📖 Mein Sachbuch “Anleitung zum Widerspruch” liefert klare Antworten auf Parolen, Vorurteile und Verschwörungstheorien. Das Buch erklärt dir, was du sagen kannst, wenn du schlicht nicht weiter weißt und dich sprachlos fühlst. Zum Beispiel: Was sage ich bei rassistischen Sprüchen, wie reagiere ich auf Antisemitismus und kann ich lernen besser zu streiten (Spoiler: Ja!)?