AfD-Parteitag: Radikal ist das neue Normal
Was die AfD im Wahlkampf vorhat - und wieso sich die Partei nicht mehr verstellt.
Der AfD-Parteitag ist vorbei und eines ist klar: Die Partei zeigt ehrlich, was sie vorhat. Kein Verstellen, kein Zurückhalten, keine gemäßigten Töne.
Deshalb habe ich für euch drei Erkenntnisse aus zwei Tagen Parteitag mitgebracht: Wie wir auf die AfD im Spezifischen (und auch auf die anderen Parteien in diesem Wahlkampf) schauen müssen und warum die Partei genau diesen Kurs jetzt einschlägt.
➡️ Der Parteitag zeigt: Die AfD-Spitze gibt klare Signale an die Rechtsextremisten in ihren Reihen, setzt auf eine noch härtere Ansprache - und die Partei auf ein Ziel, das viel langfristiger ist, als vielen von uns vielleicht bewusst.
Also legen wir los:
⚠️ Mäßigung ist vorbei: Die AfD zeigt sich radikaler und aggressiver denn je.
1. Verschärfung des Tonfalls - und der Absichten:
Die Rede von Alice Weidel auf dem Parteitag (hier abrufbar) kann man als Wendepunkt sehen – geprägt von scharfer Rhetorik, unmissverständlichen Zielen und einer kompromisslosen Ausrichtung:
Grenzen? "Sie sind dicht!"
EU? "Austritt aus dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem!".
Gender Studies? "Schaffen wir ab und schmeißen diese Professoren raus!"
Migranten? Sollen konsequent abgeschoben werden, wenn sie kein Bleiberecht haben.
Windräder? "Nieder mit diesen Windmühlen der Schande!” (Eine Wortwahl, die an eine frühere Aussage des Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke erinnert - dem Weidel in ihrer Rede ausdrücklich ihren Dank aussprach. Im Jahr 2017 hatte Höcke das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnet)
Politikjournalistin Ann-Kathrin Müller schreibt auf spiegel.de dazu: “Auf dem Parteitag in Riesa hat die AfD offen wie nie gezeigt, dass die Gesamtpartei für völkischen Nationalismus steht. Sechs Wochen vor der Bundestagswahl versucht sie nicht, sich zu mäßigen. Sie versucht auch nicht, die rechtsextremistische Ausrichtung irgendwie zu verkleistern, das Programm und die Reden sprechen eine klare Sprache. Da können AfD-Vertreter noch so häufig davon sprechen, bürgerlich, konservativ oder nur rechts zu sein. Spitzenkandidatin Alice Weidel gab dabei den Kurs vor. In ihrer Rede machte sie erneut Zugeständnisse an die Radikalsten in der Partei, etwa, indem sie sich hinter den rechtsextremen Kampfbegriff »Remigration« stellte, oder »Re-mi-gra-tion«, wie sie es betonte.” (den ganzen sehr empfehlenswerten Artikel findet ihr hier)
2. Signale an Rechtsextremisten in der Partei:
Auf dem Parteitag wurden herzförmige Plakate mit dem Spruch: „Alice für Deutschland“ verteilt. Das Problem an dem Spruch: Phonetisch liegt er doch sehr nah an der verbotenen SA-Losung "Alles für Deutschland" - für deren Nutzung Björn Höcke im vergangenen Jahr zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Zum Beispiel wenn man den Spruch skandiert, mehrere Male hintereinander, nach einer Rede auf einer Wahlkampfveranstaltung. (Quellen u.A: Tagesschau, und Stuttgarter Zeitung)
3. Offene, weitere Radikalisierung: Aufnahme des Begriffs "Remigration"
Der rechtsextreme Kampfbegriff “Remigration” wurde am Parteitag offiziell ins Wahlprogramm der AfD aufgenommen - im ursprünglichen Entwurf des Parteivorstands kam er nicht vor. Die Folge: Eine Verschärfung des migrationspolitischen Kurses der Partei.
➡️ “Remigration” steht nun im Wahlprogramm - was bedeutet das?
Zur Erinnerung: Noch vor etwa einem Jahr protestierten in Deutschland Hunderttausende gegen das sogenannte „Remigrations“-Konzept. Der Begriff wird in rechtsextremen Kreisen verwendet, um nicht nur die massenhafte Abschiebung abgelehnter Asylbewerber_innen, sondern auch von Menschen mit Migrationshintergrund, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, zu propagieren.
Die AfD hatte sich vor einem Jahr zunächst von diesem Begriff distanziert, ihn jedoch später übernommen und versucht, umzudeuten. Weidel hatte den begriff bislang in ihren Reden vermieden. (Quelle u.A. Tagesschau.de oder BR.de )
Der bayrische Landesverband hatte im November eine öffentlich sehr umstrittene “Remigrationsresolution” verabschiedet, die auch die AfD-Spitze verärgerte und als unnötige Provokation empfunden wurde. (Quelle: t-online.de und SZ.de)
Jetzt nutzte Kanzlerkandidatin Alice Weidel den Begriff in ihrer Rede und machte ihn damit zu einem zentralen Element der AfD-Wahlkampfstrategie
Definition und Verwendung: Die AfD definiert "Remigration" als konsequente Abschiebung Ausreisepflichtiger, Rückführung von Geflüchteten bei Wegfall des Fluchtgrunds sowie Rückführung von Straftätern, Gefährdern und Personen, die "ausländische Konflikte auf deutschem Boden" austragen. (Quelle: Tagesschau.de)
Die AfD versucht, die Deutungshoheit über den Begriff zu gewinnen und ihn für ihre Zwecke umzudeuten. Dies geschieht trotz der Proteste, die der Begriff noch in 2024 ausgelöst hatte.
Symbolische Bedeutung: Die Verwendung des Begriffs wird als Signal an die rechte Wählerbasis gesehen.
Der Extremismus-Experte Peter Neumann bezeichnet die Entscheidung auf X als "Radikalisierung pur" und verweist auf die historische Verwendung des Begriffs in rechtsextremen Kreisen. Sie hätten damit die Parole „Ausländer raus“ intelligenter klingen lassen wollen. Heutige Rechtsextreme verwendeten den Begriff “Remigration” auch für Deutsche, deren Herkunft oder Religion ihnen nicht passe, betonte er. (Quelle auch: Deutschlandfunk).
Der Politikberater Johannes Hillje zeigt ebenfalls auf X auf, dass es sich bei Verwendung und Einbindung des Begriffs ins Parteiprogramm vor allem um ein Zugeständnis an die rechtsextreme Szene handelt.
Die Strategie dahinter ist bekannt: Die AfD setzt mit der Verwendung des Begriffs auf die Strategie, die in diesem Gutachten zur AfD als „Plausible Deniability“ erklärt wird: Sie basiert auf der “Mehrdeutigkeit der Sprache zur Manipulation der Adressatinnen und Adressaten. Die Kommunikatoren richten ihre Äußerungen strategisch so aus, dass sie bestimmte Botschaften beinhalten. Es werden doppeldeutige Aussagen getroffen und die sprachlichen Interpretationsmöglichkeiten genutzt, um den Adressatinnen und Adressaten implizite Inhalte und Ziele zu vermitteln, die gleichzeitig anderen gegenüber (bisweilen mit gespielter Empörung) geleugnet und zurückgewiesen werden können.”
⚠️ Trotz Radikalisierung: Die AfD will sich bei gemäßigtere Wähler_innen anbiedern
Die AfD hat auf ihrem Parteitag beschlossen, ihre bisherige Jugendorganisation, die Junge Alternative (JA), aufzulösen und durch eine neue Organisation zu ersetzen. Diese Entscheidung kann als klarer Versuch gewertet werden, sich von extremistischen Tendenzen zu distanzieren und ein gemäßigteres Image zu kultivieren.
➡️ Was ist passiert?
Beschluss zur Gründung einer neuen Jugendorganisation "Patriotische Jugend”
Mitgliedschaft in der AfD als Voraussetzung (außer für unter 16-Jährige)
Ziel: Engere Bindung an die Partei und bessere Kontrolle, also mehr Durchgriff zum Beispiel bei Fehlverhalten
➡️ Warum das alles?
Die Junge Alternative (JA) wird seit April 2023 vom Bundesamt für Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft. Das Verwaltungsgericht Köln bestätigte diese Einstufung im Februar 2025 und stellte fest, dass die JA einen "völkisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff" vertrete und Migranten "verächtlich mache und dadurch in ihrer Menschenwürde missachte".
Das Ergebnis: Die AfD-Führung will eine engere Anbindung des Parteinachwuchses, um mehr Kontrolle auszuüben und - möglicherweise - einem drohenden Verbot der JA zuvorzukommen. Und gleichzeitig nach außen ein professionelleres, gemäßigteres Bild abgeben. (Quellen u.A.: ZDF , Tagesschau.de)
⚠️ Die AfD setzt auf die Normalisierung des Radikalen - und bekommt dabei Hilfe.
➡️ Die Partei setzt auf Inszenierung als staatstragende Partei:
Zum Beispiel durch vorgeblich professionelles und staatsmännisches Auftreten auf Parteitagen - siehe auch die Inszenierung der Kanzlerkandidatin (Quelle: Tagesschau.de)
Auflösung der Jungen Alternative, um mehr Kontrolle zu gewinnen - aber auch um als Partei professioneller zu wirken.
➡️ Die Partei stellt die erste Kanzlerkandidatin in der Geschichte der Partei. Dass sie das nur macht, um sich “normaler” und “wählbarer” erscheinen zu lassen, habe ich u.A. in diesem Newsletter schonmal genauer ausgeführt.
Die Wahl von Alice Weidel als Kanzlerkandidatin soll Modernität suggerieren, aber gleichzeitig konservative Wählerschaft ansprechen. An dieser Stelle sei nicht unerwähnt, dass die Delegierten außerdem beschlossen, den Satz: „Die Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern, ist die Keimzelle der Gesellschaft“ ins Wahlprogramm aufzunehmen.
Im Programmentwurf hatte es zunächst nur geheißen: „Die Familie ist die Keimzelle unserer Gesellschaft.“ Von Delegierten hieß es, die Formulierung eines Leitbildes impliziere nicht, dass man andere Lebens- und Familienmodelle ablehne.
➡️ Die Partei betont die “Übernahme von Regierungsverantwortung”.
Die AfD hat keine Koalitionschance, alle anderen Parteien haben eine Zusammenarbeit ausgeschlossen. Dennoch sagt der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla auf dem Parteitag: "Sie ist die zukünftige Kanzlerin." Ziel sei die Übernahme der Regierungsverantwortung nach der Bundestagswahl.
„In Österreich könnten sie sehen, was mit Brandmauern passiert“, sagte Chrupalla in seiner Rede.
➡️ Der AfD geht es nicht um 2025 - sondern um 2029.
Die AfD setzt weniger auf die kommende Bundestagswahl als auf die darauf folgende. “Bis zum Jahr 2029, so heißt es aus der Partei, strebe man eine Regierungsbeteiligung im Bund an.” (Quelle u.A.: Augsburger Allgemeine)
Das Ziel bis dahin wird sein: Die AfD-Positionen in der Gesellschaft weiter zu normalisieren. Denn:
➡️ Die AfD setzt auf die weitere Normalisierung ihrer Forderungen und Inhalte.
In einem internen Strategiepapier heißt es: „Als AfD begrüßen wir die durch die ‚Normalisierung‘ unserer Forderungen wachsende Anschlussfähigkeit von etablierten politischen Kräften und Bewegungen an die AfD“ - die AfD setzt also darauf, dass ihre Positionen immer mehr übernommen werden. (Quelle u.A. Tagesspiegel)
Das Problem: Je größer Rechtspopulist:innen werden, desto mehr versuchen demokratische Parteien, die Wähler zurückzugewinnen. Und: Desto größer ist die Versuchung für diese Parteien, die rechtspopulistischen Positionen zu übernehmen. Aber dadurch machen sie die Rechtspopulist:innen nur noch größer.
Eine Studie von 2023 zeigt auf: Durch die Übernahme rechtspopulistischer Sprache, Narrative und programmatischer Positionen werden rechtspopulistische Parteien nicht geschwächt. Wenn überhaupt, nutzt es diese Strategie sogar noch den Rechtsaußen-Parteien. Der Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky beschreibt es konkret so: “Versuche, Wähler der AfD durch Symptompolitik in der Migrationsfrage entgegenzukommen, sind nicht zielführend. Studien zeigen, dass dies entweder wirkungslos bleibt oder die Populisten sogar stärkt.” (Quelle: Diese Adé AfD-Newsletterfolge)
Zum Schluss:
Viele von uns überlegen in diesen Tagen, was wir konkret tun können. Wer sich zum Beispiel über falsch gehängte AfD-Plakate ärgert - oder bislang gar nicht wusste, dass es so etwas gibt - dem empfehle ich folgenden Tipp von Newsletter-Autorin Axum aus Berlin:
➡️ Wahlplakate dürfen nicht einfach irgendwie und irgendwo hängen - dafür gibt es Vorgaben. Werden Fehl-Hängungen gemeldet, müssten sie vom Ordnungsamt entfernt werden. Laut Ordnungsamt in Berlin betrifft das zum Beispiel Plakate an einem:
💡 Mast mit Verkehrszeichen
💡 Historischen Mast → und für die Berliner und Berlinerinnen ein Beispiel aus dem Katalog historischer Maste, eine mir bislang ganz neue Lektüre, die ich ab sofort uneingeschränkt empfehle:
💡 Oder Plakate, die am Wahltag in der Nähe von Wahllokalen (Umkreis 30m) hängen.
Wer also Plakate (und ich sage mal ganz bewusst nur ZUM BEISPIEL der AfD, es gibt ja sicherlich einige…) sieht, die inkorrekt gehängt wurden, kann diese beim Ordnungsamt melden. Oder auf deren Seite noch mehr Infos finden.
Das war’s für heute. Habt ihr mehr Tipps für konkrete Dinge, die wir tun können? Schickt sie mir, ich teile sie mit uns allen. Ihr wollt wissen, wie ihr auch im Job über die AfD, den Bundestagswahlkampf oder überhaupt gesellschaftspolitische Themen sprechen - und eine Haltung für euer Unternehmen findet könnt? Meldet euch.
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Würden sie sich mal soviel Mühe machen gegen den ganzen Schmarren der cdu der Grünen und der Linken zu protestieren