Neuwahlen: Profitiert davon die AfD?
Wem das Ampel-Aus nützt, was die Parteien jetzt tun könnten - und ein Weihnachtsaufruf für euch alle
Ein herzliches HIMMELHERRG*TTUND… herrje, war das eine Woche!
Und damit willkommen in dieser und einer neuen Folge von Adé AfD, in der Stand heute zwar noch nicht klar ist, wann wir wählen werden (und ob Polen uns eventuell dafür Papier liefern muss;)), aber DASS wir wählen und zwar deutlich schneller als ursprünglich gedacht, das steht fest.
Also geht es heute um die vorgezogene Bundestagswahl und um den Wahlkampf:
Nutzen Neuwahlen der AfD - oder eher nicht?
Welche Rolle spielt das BSW?
Worauf kommt es bei den anderen Parteien an?
Über all das habe ich mit Dr. Julia Reuschenbach gesprochen. Sie ist Politikwissenschaftlerin an der FU Berlin und lehrt und forscht zu Parteien, Wahlkämpfen, politischer Kommunikation und Politikfeldern in Deutschland. Ausserdem ist hat sie zusammen mit Korbinian Frenzel das Buch “Defekte Debatten. Wie wir wieder lernen, besser zu debattieren.” geschrieben, das ich euch sehr ans Herz lege (und ganz persönlich das Kapitel “Besser Streiten”).
Bevor wir loslegen, habe ich eine Idee:
🎄 In sechs Wochen ist Weihnachten. Gerade an Feiertagen kommt es oft zu Diskussionen – nicht nur in Zeiten von Wahlkampfweihnachten. 🎄
So oder so können nicht alle von uns Parolen, Politik oder auch die AfD unterm Baum vermeiden.
➡️ Ich möchte dabei helfen, Antworten, Argumente und Umgangsweisen für solche Debatten zu finden. Sendet mir also gerne per Mail eure:
Streitthemen oder Parolen, bei denen ihr Unterstützung braucht
Populistische Aussagen, die euch sprachlos machen
Politische Fragen oder AfD-Debatten, für die ihr Input sucht
Situationen, für die ihr euch rhetorische Tipps wünscht - oder Ideen, wie man souveräner und ruhiger bleibt.
Ich freue mich auf eure Themen!
Und jetzt legen wir los:
Profitiert die AfD von Neuwahlen?
🗣️ Dr. Julia Reuschenbach: “Der Frust gegenüber der bisherigen Bundesregierung und die Debatten über den Termin der Vertrauensfrage und damit verbunden der Frage, ob die bisherigen Regierungsparteien zusammen mit der Union noch Gesetze verabschieden oder nicht, ist ein attraktiver Nährboden für die AfD, die ihre Wahlkämpfe ja vor allem über die Ansprache von Frust, Ängsten und Sorgen führt. Aber es ist nicht zwingend, dass es so kommen muss.”
Ist die AfD bereit für Neuwahlen?
🗣️“Die Partei wird wohl Anfang Dezember Alice Weidel als Kanzlerkandidatin nominieren und befindet sich mit ihrem Image als Anti-Parteienpartei gewissermaßen nahezu durchgehend im Wahlkampf gegen die anderen.
Spannend wird zu beobachten sein, ob alle Landesverbände, in denen es viel Streit gibt, rechtzeitig alle Nominierungs- und Listenaufstellungsprozesse absolvieren. Das hat dem Wahlerfolg bislang selten geschadet.
Anders wäre es aber natürlich, wenn deshalb womöglich in einzelnen Landesverbänden gar keine AfD-Liste zur Wahl stünde.”
Welche Probleme hat die AfD im Wahlkampf? Eine kurze Übersicht
Die kurzfristige Aufstellung von Kandidat_innen: Mehrere AfD-Landesverbände haben noch keine Termine für die Wahl ihrer Wahllisten festgelegt, was ihre Teilnahme an der Bundestagswahl gefährden könnte - insbesondere in bevölkerungsreichen Bundesländern wie Bayern und NRW.
Logistische Probleme: Die Partei hat im Westen Schwierigkeiten, geeignete Veranstaltungsräume kurzfristig zu finden. Das wiederum erschwert die Aufstellung der Wahllisten zusätzlich.
Mitgliederstreit in NRW: In Nordrhein-Westfalen läuft ein Parteiausschlussverfahren gegen einen Landtagsabgeordneten, der bei der Mitgliederaufnahme geschummelt haben soll.
Das könnte die Rechtmäßigkeit der Wahllistenaufstellung gefährden - und hätte möglicherweise bundesweite Auswirkungen: Ein ungültiger Wahlantritt in NRW könnte die AfD bundesweit Stimmen kosten.
(Quelle: u.A. dieser Artikel von Martin Schmidt bei ntv, den ich euch in voller Länge auch sehe empfehle.)
Dazu kommen Skandale und Verbindungen ins rechtsextreme Milieu:
So wurden kürzlich drei AfD-Mitglieder wegen Unterstützung einer mutmaßlich rechtsextremen Terrorgruppe festgenommen (ich empfehle zum Thema “Sächsische Separatisten diesen Artikel vom Spiegel).
Außerdem gilt weiterhin:
Die anderen Parteien lehnen eine Zusammenarbeit mit der AfD ab.
Die Partei wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft. Hier könnte noch in diesem Jahr ein neues Gutachten veröffentlich werden.( Quelle: Morgenpost)
Es gibt weiterhin Bestrebungen für ein AfD-Verbotsverfahren - wer mehr dazu wissen möchte, wird in dieser Adé AfD-Folge fündig.
Mit welchen Strategien können andere Parteien verhindern, die AfD im Wahlkampf zu stärken?
🗣️ Dr. Julia Reuschenbach:
“Sie sollten Themen, die die AfD stark machen - allen voran Migration - ernstnehmen, aber mit eigenen und vor allem belastbaren Lösungsangeboten adressieren.
Und sie sollten - das lehrt uns die US-Wahl - vor allem die “Brot und Butter-Themen” adressen. Menschen sind wütend, fühlen sich mit Sorgen und Befürchtungen mit Blick auf das Land alleine gelassen, auch wenn sie die eigene wirtschaftliche Lage häufig konträr dazu gut einschätzen. Auch im Politbarometer dieser Woche tut das eine große Mehrheit und 63% der Menschen glauben auch, dass sich daran im nächsten Jahr nichts ändern wird.
Es geht also für Politik darum sozialpolitische und wirtschaftspolitische Zukunftsbilder zu zeichnen. Nicht das blaue vom Himmel zu versprechen, sondern möglichst konkrete politische Angebote zu machen, die in einer so komplexen Welt Beständigkeit, Sicherheit und ein Gesehen-werden vermitteln.”
Was lernen wir aus den US- und Landtagswahlen: Gibt es Themen, die für diesen Wahlkampf besonders wichtig sind?
🗣️ “Ja, absolut. Seit Langem wird auf den Zusammenhang zwischen erstarkendem Rechtspopulismus und ökonomischen und sozialen Fragen hingewiesen.
Themen des Wahlkampfes müssen m.E. sein: sichere Arbeitsplätze, bezahlbarer Wohnraum, gute Löhne, Konzepte gegen Altersarmut, Verbesserung von Infrastruktur und Daseinsvorsorge.
Und diese Themen dürfen nicht auf dem Rücken von Geflüchteten ausgetragen werden, im Sinne dessen, dass, wenn es nur weniger Geflüchtete gibt, es angeblich auch wieder mehr Wohnungen gäbe.
Sondern sie müssen die Menschen selbst in den Blick nehmen. Wer jetzt wenig verdient, verdient auch nicht mehr, wenn andere im Bürgergeld noch weniger bekommen als derzeit. Das ist eine Gerechtigkeits-Konstruktion, die aus meiner Sicht nur kurzfristig trägt.”
Welche Rolle spielt das BSW in diesem Wahlkampf?
🗣️ “Eine schwierige Frage. Die aktuellen Regierungsbildungen in Sachsen und Thüringen zeigen, wie uneins die Partei auch in sich und mit sich noch ist. Aber ich rechne damit, dass das BSW (wenn die anderen dem nicht stärker etwas entgegensetzen) die Rolle als vermeintliche Friedenspartei im Bundestagswahlkampf stark ausfüllen können wird.
Der de facto damit vor allem verbundene Antiamerikanismus und die Kritik an der NATO finden vor allem in Ostdeutschland Anklang.
Für Westdeutschland ist es schwer abzuschätzen, ob das BSW dort mit diesen Themen oder etwa mit sozial- und wirtschaftspolitischen Themen Erfolge haben wird. Auch weil hier noch nicht alle Landesverbände wirklich aufgebaut sind.
Die Partei hat dadurch in formaler Hinsicht größere Hürden zu nehmen, umgekehrt mit Sahra Wagenknecht aber ein bundespolitisch äußerst populäres Gesicht.
Wir haben in Ostdeutschland gesehen, dass die Verluste der AfD an das BSW überschaubar waren. Ich halte es für vorstellbar, dass dies bei der Bundestagswahl etwas stärker ausfällt, weil es mit dem Ukraine-Krieg und den Waffenlieferungen dann auch bundespolitische Themen gibt, die eng mit dem BSW verknüpft sind. Ich rechne aber nicht damit, dass die AfD ihren inhaltlichen Kurs durch das BSW maßgeblich verändern wird.”
Welche Rolle spielt die CDU im Verhältnis zur AfD in diesem Wahlkampf?
🗣️ “Mein Eindruck ist, dass Friedrich Merz es mit der Abgrenzung zur AfD sehr ernst meint und nicht zu befürchten ist, dass da auf Bundesebene über mögliche Arten der Zusammenarbeit nachgedacht wird.
Allerdings kann er von anderen zurecht aufgrund von Widersprüchen angegangen werden. So hat er etwa mit Begriffen wie “Sozialtourismus” die Sprache der AfD normalisiert und geht anders als angekündigt, wohl wesentlich weniger hart gegen Parteivertreter vor, die etwa auf der kommunalen Ebene oder Landesebene mit der AfD abstimmen oder kooperieren. Das werden andere versuchen in ihren Kampagne gegen die CDU zu verwenden.
Und die AfD selbst wird sicher stark gegen die CDU wahlkämpfen, indem sie ihr vorwirft auch nur eine der von ihr sogenannten “Altparteien” zu sein, die mit den anderen paktiert, um die vermeintliche Stärke der AfD zu verhindern.”
Spielen die Landtagswahlergebnisse für die AfD eine Rolle für den Wahlkampf?
🗣️ “Natürlich. Etwa wenn es um die Frage geht, was zum Beispiel eine Sperrminorität auf Bundesebene für Auswirkungen hätte. Dann könnte etwa die Schuldenbremse nicht reformiert werden, ohne dass diese Parteien involviert werden.
Die AfD alleine wird keine Sperrminorität erlangen, aber die gemeinsame Abstimmung von AfD und BSW in Sachsen zum Corona- Untersuchungsausschuss lehrt uns, dass man mit gemeinsamem Verhalten beider Parteien rechnen müsste. Andere Punkten kommen dazu: Etwa die Änderungen am Bundesverfassungsgerichtsgesetz, um das Gericht wehrhafter zu machen.”
Eine neue Koalition scheint auch bei Neuwahlen - Stand jetzt - absehbar. Brauchen wir in Deutschland eine neue Kompromisskultur?
🗣️ “Ja, das glaube ich absolut. Wir müssen m.E. davon ausgegehen, dass es in Zukunft nicht leichter wird.
Wir werden voraussichtlich weiterhin schwierige Regierungsbildungsprozesse sehen, die ggg. lagerübergreifend stattfinden müssen. Und selbst eine GroKo zu verhandeln wäre heute eine schwierige Ausgangslage - wenn man sich zugleich einer fragmentierten Parteienlandschaft im Parlament gegenübersieht.
Dazu kommt die Gefahr einer Sperrminorität durch die populistischen Parteien AfD und BSW im Bundestag und vor allem die Tatsache, dass Übereinkünfte, wie etwa Koalitionsverträge, heute bei weitem nicht mehr die Halbwertzeit haben wie früher. Parteien müssen als innerhalb ohnehin schwieriger Bündnisse noch viel flexibler und agiler werden.”
Exkurs zu Sperrminorität und AfD:
Stand jetzt erreichen AfD und BSW etwa 25 Prozent in den Umfragen. Ein mögliches Szenario: FDP und Linke verfehlen knapp den Einzug in den Bundestag. Dann könnten AfD und BSW ein Drittel der Sitze besetzen. Damit hätten sie eine Sperrminorität bei Verfassungsfragen.
Im Bundestag wurden bereits Möglichkeiten diskutiert, das Bundesverfassungsgericht vor antidemokratischen Eingriffen zu schützen. Eine Abstimmung dazu steht aber noch aus.
Wovor gewarnt wird? Dass sich Zustände wie in Thüringen und Sachsen entwickeln könnten. Dort können AfD und BSW versuchen, durch ihre vielen Sitze erheblichen Druck auf andere Parteien auszuüben.
(Quelle: Spiegel.de)
Das war’s für heute. Ein großes Danke an Dr. Julia Reuschenbach für ihre Einordnung.
🎄Und für euch alle die Bitte: Schickt mir eure Fragen, Parolen, Aussagen, Situationen und Diskussionsthemen für Weihnachten. Ich freue mich drauf!🎄
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