Warum das, was wir über AfD-Wähler denken, falsch ist
Eine neue Studie zeigt, wer die AfD wirklich wählt - und warum.
Hallo und herzlich Willkommen zur neuen Folge von Adê AfD,
in dieser Folge geht es darum, wer eigentlich die AfD wählt - bzw. wer sie wählen würde. Eine neue Umfrage zeigt nämlich, dass viele gängige Klischees über AfD-Anhänger:innen überholt sind - sie sind städtischer, weiblicher, westlicher als bisher angenommen.
Wer wählt eigentlich die AfD?
Die ZEIT hat die Daten der German Longitidual Election Study ausgewertet, diese liefern ein detailliertes und in Teilen auch bislang nicht bekanntes Bild über potentielle AfD-Wähler_innen. Dazu gibt es einen sehr spannenden Artikel (€), den ihr hier findet.
👁️ Die AfD ist auf dem Weg zur Volkspartei
"Die AfD ist wie die anderen Volksparteien eine Mehrmilieupartei", sagt der Soziologe Nils Kumkar auf ZEIT Online. Das bedeutet, sie spricht viele unterschiedliche Menschen in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen an:
44 Prozent sind weiblich: "Die Wahlabsicht AfD hat nichts spezifisch Männliches", sagt Kumkar auf ZEIT Online, “der leichte Männerüberhang liege vielmehr daran, dass diese häufiger in Jobs arbeiteten, die von Modernisierung bedroht seien.”
Je ein Drittel der AfD-Sympathisant_innen hat einen Haupt- und/oder Realschulabschluss, 18 Prozent haben Abitur.
Die AfD ist ein gesamtdeutsches Phänomen: Die Daten zeigen, “dass die AfD im Osten zwar mehr Anhänger hat. In ihren persönlichen Merkmalen und Haltungen ähneln sich die AfD-Sympathisantinnen und -Sympathisanten in Ost und West aber.” ZEIT Online
“Die Daten zeigen: Das typische Bild des ländlichen AfD-Wählers ist nicht zutreffend: die verteilen sich überraschend gleichmässig auf Stadt und Land”, erklärt Sasan Abdie-Herrle, leitender Redakteur auf ZEIT Online im Podcast “Das Politikteil”.
Zusammenfassend bedeutet das: “Früher galt die AfD als reine Prekariats- und Männerpartei. Das hat sich geändert.” ZEIT Online
Was können Gründe für diesen Werdegang zur Volkspartei sein? “Wenn die AfD eins gut kann, ist es, den Leuten einzureden, wie schlecht es ihnen geht. Die Angst vor dem Abstieg, die Angst, Deutschland geht den Bach runter, die ist hier schon sehr lange zu beobachten, sehr, sehr stark vertreten, wird immer lauter und führt auch dazu, dass die AfD sich immer breiter aufstellt in Wählermilieus.” August Modersohn, Leiter des Leipziger Büros der ZEIT in “Das Politikteil” (den Podcast empfehle ich allen, die sich mehr mit dem Thema beschäftigen wollen).
→ Aufgepasst: Die Behauptung alles, der wirtschaftliche Abschwung, die Migration, die Überlastung der Kommunen, sei so schlimm wie noch nie zuvor in der Geschichte – und es gebe nur eine Lösung, dabei handelt es sich um einen klassischen Trick autoritärer Kräfte. Denn diese Lösung bieten dann nur sie selbst an. Von AfD-Politiker:innen hört man derartige Superlative dauernd: Deutschland schaffe sich ab, das deutsche Volk sterbe aus. Demokratische Politiker:innen übernehmen diese Sprache und stützen damit die Narrative der AfD.
Mehr dazu erfahrt ihr auch in der letzten Folge von Adé AfD:
👁️ Neue AfD-Wähler_innen halten sich selbst für moderat
Das Paradox um die AfD: Die Partei selbst wird immer radikaler, mäßigt sich also nicht, um möglichst viele Menschen anzusprechen - gleichzeitig gewinnt sie an Zuspruch.
Was hat sich verändert? Die Befragten, die neuerdings angeben, die AfD wählen zu wollen, halten sich für mittiger als die älteren AfD-Sympathisant_innen. Sie würden also eine Partei wählen, die rechts außen ist, sich aber selbst nicht in diesem politischen Spektrum verorten.
Was passiert hier? "Wir sehen keinen besonderen Rechtsruck in den Haltungen", sagt der Politologe Aiko Wagner, der an der Freien Universität Berlin zu Parteiensystemen und politischen Einstellungen forscht. Die rechten Haltungen seien in der Bevölkerung latent schon immer vorhanden gewesen. Nun würden sie durch aktuelle Debatten politisch aktiviert: "Wenn jetzt wieder viel über Migration, Religion und Kultur gesprochen wird, zahlt das bei der Partei ein, die für diese Themen steht." Der AfD gelingt es also, diese Debatten für sich zu instrumentalisieren.” ZEIT Online
Wer sind diese Wähler_innen konkret?
“Es gibt zwei Gruppen, in die diese Wählerschaft zerfällt. Die einen, sind die, bei denen es eine Fehlwahrnehmung ist, wo man von aussen sagen würde, die sind schon rechtsextrem. Wir sehen einen Teil der AfD-Anhänger, die sagen, sie könnten sich vorstellen, dass eine Diktatur die bessere Staatsform für Deutschland wäre (..) Die behaupten zwar, sie stehen in der Mitte, tun es aber nicht.”
Dann gibt es aber schon Leute, (...) da steht im Vordergrund für das Bekenntnis zur AfD eine große Unzufriedenheit mit der aktuellen Bundesregierung, die sehen die AfD einfach als Vehikel, um das zum Ausdruck zu bringen.” Datenjournalist Christian Endt im Podcast “Das Politikteil”.
👁️ Die AfD-Stimme ist eine Stimme gegen Politik - und gegen den Status Quo
"Teile der AfD-Wählerschaft wünschen sich in eine Zeit ähnlich dem Kaiserreich zurück, wo Disziplin und Ordnung eine zentralere Rolle spielen." Die Gesellschaft solle so sein wie früher, "beziehungsweise so, wie man sich dieses Früher vorstellt". sagt der Politologe Aiko Wagner in ZEIT Online. Dieser Teil der AfD-Wähler sei zwar nicht per se antidemokratisch, lehne aber die liberale Demokratie mit den aktuellen Führungspersonen ab und favorisiere starke Anführer und direkte Demokratie.” ZEIT Online
“Darüber hinaus, sagt der Soziologe Kumkar, werde die AfD auch "als ganz grundlegendes Nein zur Politik" gewählt. Das fange schon beim Namen an, in dem kein Parteiprogramm, sondern eine angebliche Alternative angeboten werde.“ ZEIT Online
👁️ Warum ist diese Auswertung besonders spannend?
Vor der Auswertung hat die ZEIT-Redaktion eine Literaturrecherche gemacht, die ergab: Die meiste wissenschaftliche Literatur über die AfD basiert auf Daten die im Zuge der Bundestagswahl 2021 erhoben wurden oder älter sind. Seitdem hat sich die AfD auf verschiedenen Ebenen verändert: inhaltlich und in Bezug auf ihre Wählerschaft.
Für ein genaueres und aktuelleres Bild der AfD-Anhängerschaft hat die ZEIT-Redaktion bei dieser Recherche Rohdaten erfasst und untersucht. Die verwendeten Daten stammen aus der German Longitidual Election Study (Gles). Mehr Infos findet ihr hier.
🐣 Für die Osterfeiertage habe ich mir etwas überlegt: Und zwar eine Spezialausgabe darüber, wie wir mit unseren Engsten umgehen können, wenn diese AfD-Parolen verbreiten. Denn vielleicht liegt einigen von Euch die Vorstellung im Magen, die kommenden Tage auf genau das Familienmitglied zu treffen, das AfD-Parolen im Familienchat teilt.
➡️ Dafür habe ich die Radikalisierungsexpertin Dana Buchzik gefragt, welche Kommunikationshacks sie für enge Familienangehörige und Freund_innen empfiehlt. Diese lest ihr dann am Gründonnerstag in einer Adé AfD-Sonderausgabe.
Das war’s für heute - ich wünsche euch einen guten Start in die Woche!
Franzi
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Kommunikation & KI: Einsatz in politischer Kommunikation (z.B. in Pressestellen, im Wahlkampf), gegen Desinformation, Hatespeech & die AfD.
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