Was der AfD-Wahlerfolg bedeutet & was wir jetzt tun können
5 konkrete Lehren aus den Landtagswahlen - auch für die Bundestagswahl
Hallo und herzlich Willkommen zur neuen Folge Adé AfD,
zum ersten Mal ist eine Partei, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, zur stärksten Kraft in einem Bundesland aufgestiegen. Die Wahlergebnisse sind leider nicht überraschend, sie haben sich lange angekündigt. Dennoch sind sie erschreckend und gefährlich. Viele von uns werden heute Angst haben, sich Sorgen und Gedanken machen, wie es weitergeht und was man tun kann.
Ich habe mir für diesen Newsletter daher drei Dinge überlegt:
Für die Landtagswahlen: Fünf Lehren aus den Ergebnissen. Mit dabei: Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky und Jugendpolitik-Expertin Anna Grebe.
Für die Bundestagswahlen: AfD-Kennerin Ann-Katrin Müller erklärt, was wir für 2025 lernen könnten.
Für uns alle: Eine konkrete Ideen, was jede_r von uns jetzt tun kann.
Los geht’s:
🗳️ Fünf Lehren aus den Landtagswahlen:
1. Die AfD wurde aus Überzeugung, nicht aus Protest gewählt.
Die hohen Zustimmungswerte für die AfD sind nicht das Ergebnis einer Protestwahl, hier wurde aus Überzeugung gewählt. In der Nachwahlbefragung gaben über die Hälfte der Befragten an, die Partei aus Überzeugung nicht aus Enttäuschung über andere Parteien gewählt zu haben. (Quelle: infratest dimap/ tagesschau.de)
Der Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky bekräftigt das: “Die AfD war nie eine reine Protestpartei. Ja, ihre Wähler lehnen die „etablierten Parteien“ ab, aber sie unterstützen eben auch die Themen, für die die AfD steht, vor allem in Sachen Migration und Asyl. Außerdem inszeniert sie sich als die Partei, die den Menschen die vermeintlich verlorene Demokratie zurückbringt. Das wird geglaubt, weil sich ihr Programm mit den Ansichten und Einstellungen ihrer Wähler deckt.”
2. Die AfD verfügt jetzt über ein wichtiges Blockademittel
Die AfD hat in Thüringen wohl mehr als ein Drittel der Sitze gewonnen - damit verfügt sie über die sog. Sperrminorität, was ihr erheblich mehr Einfluss verschafft. Das bedeutet, dass sie bei wichtigen Entscheidung mitbestimmen kann - es gibt dann ohne die Partei keine Zweidrittelentscheidung mehr.
Zu den Entscheidungen gehören: Verfassungsänderungen, die Auflösung des Landtags oder die Ernennung von Rechnungshofpräsident_innen und Verfassungsrichter_innen. Mehr Infos zur Sperrminorität gibt’s hier:
In Sachsen hat die Partei die Sperrminorität verpasst. Damit hat das Wahlergebnis noch eine weitere Folge:
“Björn Höcke und sein völkischer Kurs sind innerhalb der Gesamtpartei noch weniger angreifbar. Zuletzt hatte es Kritik an ihm und seinem Führungsstil gegeben. In der AfD hatten einige versucht, seine Rolle kleinzureden und sich von ihm zu distanzieren.” (Quelle: Spiegel.de)
3. Die AfD ist bei jungen Wähler_innen der deutliche Gewinner. Doch da müssen wir genauer hinschauen:
In Thüringen wird die AfD unter den 18- bis 24-Jährigen stärkste Partei, in Sachsen liegt sie in der Altersgruppe knapp hinter der Union auf dem zweiten Platz. (Quelle: infratest dimap/tagesschau.de)
Die jugendpolitische Expertin Anna Grebe ordnet die Ergebnisse so ein: “Junge Menschen wählen aus denselben Gründen die AfD wie ältere Menschen: weil sie mit den Positionen der Partei in Teilen übereinstimmen, nicht aus Protest.
Da sich keine der anderen Parteien in den vergangenen Jahren ernsthaft und glaubwürdig für die Perspektiven und Themen junger Menschen interessiert hat (Wohnen, Bildung, Sicherheit, Mobilität), verfangen die Versprechungen der AfD besonders gut, denn gerade für Erstwähler*innen ist seit ihrer Kindheit die AfD eine völlig normale Partei neben anderen Parteien und somit auch wählbar.
“Statt also Debatten allein über die schlechte Kommunikation der demokratischen Parteien mit der jungen Wähler*innenschaft zu führen (TikTok und Co.), sollte nun ganz oben auf der politischen Agenda stehen, junge Menschen zu befragen und nachhaltig an der Gestaltung der Zukunft in Deutschland zu beteiligen.”
4. Die AfD-Wahlergebnisse können wirtschaftliche Konsequenzen haben
Für Vertreter_innen der deutschen Wirtschaft sind die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ein schlechtes Signal. Der Präsident des deutschen Instituts für Wirtschaft, Marcel Fratzscher etwa erwartet eine Abwanderung aus den Regionen:
“(...) Vor allem die AfD steht für eine extrem neoliberale Wirtschaftspolitik, für Protektionismus und eine Abschottung von Europa, für weniger Zuwanderung von Fachkräften und eine geringere Offenheit und Vielfalt.”
“(…)Vor allem junge, gut qualifizierte und hochmotivierte Bürgerinnen und Bürger werden die beiden Bundesländer verlassen und dorthin gehen, wo sie mehr Offenheit und Wertschätzung erfahren. Dies dürfte einen Anstieg der Insolvenzen und einen Exodus von Unternehmen zur Folge haben. ” (Quelle: DIW)
5. Die AfD ist nicht mit ihren eigenen Positionen zu besiegen (egal wie sehr sich andere Parteien davon treiben lassen).
Themen und Narrative der AfD zu übernehmen, schadet den Parteien, erklärt Politikwissenschaftler Lewandowsky.:
“Insbesondere in der Asyl- und Migrationspolitik sind die anderen Parteien Getriebene der Rechtspopulisten. Wir wissen aber auch aus der international vergleichenden Forschung, dass es kaum Wähler von den Rechtspopulisten zurückholt, wenn man sich in solchen Fragen selbst nach rechts bewegt.
Das Klischee, dass die Menschen „das Original wählen“, stimmt. Die Parteien müssten eigene Themen setzen. Aber die Union setzt im Bund auf die direkte thematische Konkurrenz mit der AfD und die Ampel-Parteien sind zu erschöpft und zerstritten, um für eigene Themen zu begeistern.”
Ein Hinweis: Die Gründe für das Erstarken der AfD liegen auch darin, dass andere Parteien menschenfeindliche Narrative übernehmen - und normalisieren. In der Adé AfD-Folge mit Gilda Sahebi schreibt die Journalistin:
Einer der wichtigsten Gründe, warum die AfD so stark werden konnte: Die Gewöhnung an menschenfeindliche Aussagen, Narrative, politische Maßnahmen. Die Partei begann als Anti-Euro-Partei und wurde über die Zeit immer mehr von menschenfeindlich denkenden Politiker:innen übernommen.
Was hilft bei der Normalisierung? Wenn demokratische Kräfte der Mitte die Aussagen dieser Partei übernehmen: Die AfD setzt die Themen, viele in der Politik und Medien folgen. Die Narrative der AfD sind in den medialen und politischen Debatten allgegenwärtig. Diese Gewöhnung an menschenfeindliche Narrative ist das schärfste Schwert der AfD.
Die ganze Folge findet ihr hier:
🗳️ Können wir aus den Landtagswahlen für die Bundestagswahl lernen?
Das sagt die AfD-Expertin und Journalistin Ann-Katrin Müller:
“Es ist natürlich schwierig, drei Landtagswahlen mit einer bundesweiten Wahl zu vergleichen. Aber ein paar Sachen sind mir in den vergangenen Monaten aufgefallen oder aus der Rechtsextremismusforschung bekannt.
👉 Es wäre etwa wichtig, dass die gesellschaftlichen Akteure endlich einen gemeinsamen Umgang mit der AfD finden. Also wenn sich alle auf ein paar Dinge einigen könnten, etwa, dass die AfD eine demokratisch gewählte, aber keine demokratische Partei ist. Dass man nicht mit ihr zusammenarbeiten sollte.
👉 Und, dass man die Opferrolle der AfD ignoriert. Sie nutzt populistische Methoden, um sich stets als Opfer darzustellen – egal, wie man auf sie reagiert und wo man ihr entgegenkommt. Es wird ihr nie reichen, bis sie allein an der Macht ist und alles so umbauen kann, wie es in ihr völkisches Weltbild passt.
👉 Die Demokraten sollten also gut und gerne ignorieren, was die AfD und ihre Funktionäre immer alles so an politischen Forderungen so herausposaunt, die AfD einfach rechts liegen lassen.
Man braucht die AfD auch nicht, um festzustellen, wo es Probleme im Land gibt und welche Lösungsideen es geben könnte. Dann lieber bei hasserfüllten und menschenfeindlichen Dingen widersprechen.
👉 Außerdem nicht auf ihre PR-Tricks reinfallen: Wenn die AfD einen Kanzlerkandidaten aufstellt, tut sie das nur, damit alle darüber reden und die Person Interviewplatz bekommt. Dabei gibt es aktuell überhaupt keine Konstellation, in der die AfD ins Kanzleramt einzieht, die große Mehrheit der Deutschen steht gegen die Antidemokraten.
👉 Vielleicht hilft zum Umgang mit der AfD noch ein Blick in die Vergangenheit: Die AfD in Thüringen und Sachsen ist auf demselben behördlichen Status wie die NPD, die waren beziehungsweise sind auch heute unter dem neugewählten Namen “Die Heimat” als rechtsextremistisch eingestuft.
Hat man, als die NPD damals in Landtage gewählt wurde, ständig ihre Funktionäre in Talkshows eingeladen? Hat man überlegt, ob man mit ihr koalieren sollte? Nein, hat man nicht.”
🤜🤛 Zum Schluss: Was können wir jetzt tun?
Ab sofort bekommt dieser Newsletter eine neue Rubrik: In jeder Ausgabe gibt es am Ende eine Idee, was wir alle tun können, um uns einzusetzen. Du hast einen Vorschlag? Schreib mir, ich sammele und bereite für uns alle auf. 💜
Los geht es heute mit:
Lasst uns solidarisch sein:
Seid füreinander da. Viele Menschen haben Angst. Fragt nach, wie es ihnen geht, bietet Hilfe und Unterstützung an, aber fragt vor allem, was Menschen sich jetzt wünschen. Der Aufstieg einer Partei, die ihre menschenfeindlichen Positionen auf Wahlplakate druckt, in ihr Programm schreibt und nun mit noch mehr politischer Macht weiter verstärken kann, ist für viele Menschen besonders gefährlich.
Wichtige Stimmen dazu findet ihr zum Beispiel in diesem ZEIT-Artikel oder in diesem taz-Bericht. Oder in und unter diesem Instagram-Post der Autorin Tupoka Ogette. Schickt mir gerne weitere Stimmen und Menschen, denen ihr folgt.
Das war’s für heute - ich wünsche euch einen informierten Start in diese Woche!
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Strategien zur Positionierung und im Umgang mit gesellschaftspolitischen Themen: Ich entwickle politische Kommunikation für Führungskräfte in Unternehmen, Verbänden, NGOs (z.B. zu Themen wie Rechtsextremismus oder Bundestagswahl 2025).
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