AfD-Wählen macht unglücklich (und was das mit unserem Gehirn zu tun hat)
Neue Erkenntnisse über AfD-Unterstützer_innen & wie wir sie erreichen.
Hallo und herzlich Willkommen zur neuen Folge Adé AfD,
heute widmen wir uns der Frage, was es mit Menschen macht, eine Partei wie die AfD zu wählen. Eine neue Studie hat sich nämlich die Zufriedenheit von AfD-Wähler_innen genauer angesehen und kommt zu dem (nicht ganz so überraschenden) Schluss: Wer die AfD wählt ist unzufriedener als Wähler_innen anderer Parteien.
🛎️ Aber aufgepasst: AfD-Anhänger_innen sind laut Studie nicht vor sondern vor allem nach der Wahl unglücklicher.
Schlägt also tatsächlich erst die Wahl selbst den AfD-Unterstützer_innen auf’s Gemüt? Und lässt sich das ändern?
Los geht’s:
🧩 Wer die AfD wählt wird unzufrieden.
Forschende des Berliner Wissenschaftszentrums für Sozialforschung (WZB) haben eine repräsentative Studie durchgeführt und herausgefunden, dass die Unterstützung der AfD selbst die Unzufriedenheit verstärkt.
👉 In ihrer Studie „Support for a right-wing populist party and subjective well-being: Experimental and survey evidence from Germany“ untersuchten die Forschenden, wie die Wahl der AfD die Sicht auf das persönliche Leben und die finanzielle Situation der Wählenden beeinflusst. Über 5.000 Menschen wurden zwischen 2019 und 2021 befragt.
👉 Das Ergebnis: Die Unterstützung der AfD führt zu einem verminderten Wohlbefinden. Um diesen Zusammenhang zu verdeutlichen, führten die Forscher zwei Experimente durch (mehr zu der Vorgehensweise der Studie findet ihr hier).
Erkenntnis 1: AfD-Wähler_innen sind laut der Studie deutlich unzufriedener mit ihrer persönlichen und finanziellen Situation als Wähler_innen anderer Parteien.
Erkenntnis 2: Besonders neue AfD-Anhänger_innen erleben eine Verschlechterung ihres Wohlbefindens, wenn sie ihre Unterstützung der AfD reflektieren.
Die Lösung laut Studie: Wer sich von der Partei abwendet, merkt schnell eine Verbesserung im Wohlbefinden.
👉 Achtung: Der Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und Unterstützung der AfD sei „eindeutig“ und lasse sich nicht durch sozioökonomische Faktoren wie Einkommen oder Bildung erklären, erklärten die WZB-Ökonomin Maja Adena und ihr Kollege Steffen Huck (Quelle: Tagesspiegel).
🧩 Bei der AfD bleiben wird für Wähler_innen teuer.
Warum? Ein neuer AfD-Unterstützer bräuchte laut Schätzung der Studienautor_innen ein zusätzliches Monatseinkommen von rund 2.500 Euro, um wieder zu seiner alten Zufriedenheit vor der Wahl zurückzufinden.
Das Problem: Die AfD-Politik wird ihre Wähler_innen wahrscheinlich nicht reicher machen.
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigte bereits 2023, dass AfD-Wähler_innen unter der Politik der AfD finanziell leiden würden (Quelle: DiW)
Und das gilt auch auf EU-Ebene: Eine Kurzstudie des DiW vor der Europawahl zeigt auf, dass AfD-Wähler in fast jedem Politikbereich die Hauptleidtragenden einer rechtspopulistischen Politik auf EU-Ebene wären. (Quelle: Leipziger Zeitung)
🧩 Die Negativität der AfD macht Menschen unglücklich.
Die Studie sagt also: Unabhängig von der eigenen finanziellen Situation wurden Menschen mit der Wahl der AfD unglücklicher.
Warum? Die Gründe für diesen Kausalzusammenhang vermuten die Forschenden in der negativen Rhetorik der AfD. Schuld daran seien also die negativen Emotionen und Ängste, auf die rechtspopulistische Parteien setzen und mit denen sie ihre Anhängerschaft überschwemmen.
Was also passiert: Wer sich der Partei zuwendet, setzt sich dieser Negativität stärker aus, und das schadet wiederum dem Wohlbefinden.
Was dabei auch eine Rolle spielt: Unser Gehirn fokussiert sich evolutionsbedingt eher auf Negatives. “Der Fokus auf Negatives ist in uns angelegt. Es ist evolutionsbiologisch wichtig für unser Überleben. Eine negative Nachricht ist potenziell eine Gefahr, auf die wir schneller, besser und intensiver reagieren sollten als auf positive oder neutrale Nachrichten.” erklärt Neurowissenschaftlerin Maren Urner (Quelle: Interview Chrismon)
Was helfen würde: Sich von der Partei abzuwenden. Wer das tut, merkt laut WZB-Studie eine Verbesserung in seiner Zufriedenheit.
🧐 Und warum fällt das Abwenden oft so schwer?
🧩 Die AfD ist für Unterstützer_innen ein Wohlfühlort-
Mögliche Gründe, wieso Unterstützer_innen der AfD diese eher nicht verlassen, zeigt eine Dissertation des Politikwissenschaftlers Dr. Florian Spissinger von der Universität Leipzig auf:
“Die AfD ist für ihre Sympathisant/-innen und Unterstützer/-innen eine attraktive Gefühlsgemeinschaft, ein Ort zum rechten Wohlfühlen. Sie bietet ihren Anhänger/-innen aufwertende Identitäten und vermittelt eine Gefühlswelt, die sie gegen kritische Einwände immunisiert.”
Wer zur AfD gehört, sehe sich als Teil einer großen und wichtigen Gemeinschaft aus "Widerständigen" oder auch "Erwachten", meint Wissenschaftler Spissinger. Kritik pralle daran ab. Die AfD präge und festige die Gefühle und Identitäten von Menschen, etwa indem sie bestimmte Narrative verbreite.
„Dabei können sich AfD-Unterstützer/-innen als Teil einer großen und wichtigen Gemeinschaft, als ‚Widerständige‘ oder auch als ‚Erwachte‘ erleben. Sie können sich als eine Avantgarde fühlen, wenn sie bei ihren Zusammenkünften auf die politische Konkurrenz beispielsweise kopfschüttelnd oder belustigt herabschauen.“
Wegen der aufwertenden, bestätigenden und immunisierenden Funktionsweise der neurechten Gefühlswelt sei es so schwierig, diese Menschen zur Umkehr zu bewegen, sagt Spissinger. (Quellen für Zitate: mdr.de und Leipziger Zeitung)
💡 Was lernen wir daraus?
Die Forschenden der WZB-Studie empfehlen anderen Parteien, positive Themen zu betonen, anstatt sich auf die negativen Themen der AfD zu konzentrieren. „Die erfolgreiche Rückgewinnung von Wählern braucht andere, idealerweise positive Themen“, erklärt WZB-Ökonomin Adena.
👉 Was bedeutet das?
Einerseits ist klar: “Es ist nicht die Aufgabe einer politischen Partei, mit ihrer Sicht auf die Probleme eines Landes für das Wohlbefinden ihrer Anhänger zu sorgen, sondern diese Probleme ungeschönt darzustellen.” (Quelle: faz.net)
Will heißen: Eine Partei ist nicht allein für das Wohl und Glück ihrer einzelnen Wähler_innen zuständig.
Aber: Interessant ist schon, dass laut Studie die Partei vor allem erst durch ihre Kommunikation und deren Inhalte bei ihren neuen Anhänger_innen solche Unzufriedenheit auslöst. Kolumnistin Samira El Ouassil schreibt im Spiegel dazu: “Das Bemerkenswerte an der Studie von Adena und Huck ist, dass die Partei allein durch ihre negative Rhetorik bereits dafür sorgt, dass sich Zufriedenheit nicht einstellen kann – weder bei anderen noch bei den eigenen Anhänger:innen. Dystopische Botschaften von Kulturkampf und Elend machen eben selten gute Laune.” (Quelle: Spiegel.de)
👉 Was wir noch über AfD-Wähler_innen wissen sollten:
AfD-Wähler sind keine Protestwähler - mehr dazu findet ihr in dieser Folge:
Wieso wir gelernte Klischees über die AfD-Wähler_innen hinterfragen müssen, lest ihr in dieser Folge:
Das war’s für heute - ich wünsche euch einen guten und informierten Start in den Tag.
Viele Grüße,
Franzi
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"🛎️ Aber aufgepasst: AfD-Anhänger_innen sind laut Studie nicht vor sondern vor allem nach der Wahl unglücklicher."
Bisher hat nach keiner Wahl hat die AFD Beteiligung an einer Landesregierung oder der Bundesregierung. Verlieren macht natürlich keinen Spaß. Aber das ist kein wirklich gutes Argument, denn jede neue Partei verliert, bis sie es nicht mehr tut (Grüne). Oder irrelevant wird (Piraten).
"Aber: Interessant ist schon, dass laut Studie die Partei vor allem erst durch ihre Kommunikation und deren Inhalte bei ihren neuen Anhänger_innen solche Unzufriedenheit auslöst."
Naja gut, aber jeder der sich politisch engagiert um als "Anhänger" einer politischen Massenbewegung zu gelten, priorisiert Ideologie über persönliches Wohlergehen. Ich würde erwarten, dass jeder der gegen die AFD auf die Straße zieht oder viel Zeit damit verbringt gegen sie zu agitieren, sich ebenfalls unglücklicher macht. Denn diese Gruppe gewinnt ja auch erst, wenn die AFD verboten oder irrelevant wird.
"AfD-Anhänger_innen"
Wie spricht man das überhaupt aus? Wenn es wie Anhängerinnen ausgesprochen wird, würde das ja implizieren das die Aussage nur für weibliche Anhänger gilt.