Brandenburg: 3 wichtige Erkenntnisse & wo wir jetzt hinschauen sollten.
Was wir aus der Wahl lernen - und eine richtig gute Nachricht!
Hallo und herzlich Willkommen zur neuen Folge von Adé AfD,
Brandenburg hat gewählt:
Die SPD ist stärkste Kraft geworden - es war sehr knapp.
Die CDU hat ihr schlechtestes Ergebnis in Brandenburg eingefahren - und 21.000 Stimmen an die AfD verloren.
Die AfD hat die Sperrminorität erreicht und sehr viele junge Wähler_innen für sich gewonnen.
👉 Hier lest ihr heute: Drei Erkenntnisse aus der Brandenburg-Wahl - und eine Erinnerung, mit wem wir es bei der AfD in Brandenburg eigentlich zu tun haben.
Aber bevor wir loslegen, kommt zwischen all den not-good-news eine richtig Gute: Dieser Newsletter hat jetzt 3000 Abonnent_innen! Ich freue mich wahnsinnig und bin sehr dankbar, dass ihr alle Adé AfD teilt, empfehlt und jede Woche wieder lest.
Als kleines Dankeschön verlose ich heute wieder Bücher - und zwar könnt ihr diesmal zwei Exemplare meines Buchs gewinnen: Eure persönliche “Anleitung zum Widerspruch”, die Argumente für populistische Diskussionen und viele Tipps für bessere Debatten ohne reines Faktenbingo liefert.
In den Lostopf kommt, wer mir bis heute Abend eine Mail mit Adresse und einem Themenwunsch für den Newsletter schickt.
Und jetzt legen wir los:
Die AfD hat die Sperrminorität - und will sie nutzen.
Während für die meisten Gesetze eine einfache Mehrheit im Parlament genügt, ist in Brandenburg (wie auch in anderen Bundesländern) eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig, um Verfassungsrichter zu nominieren. Dasselbe gilt für Verfassungsänderungen: Die können ebenfalls nur mit dieser qualifizierten Mehrheit beschlossen werden.
Dieses Blockademittel will die AfD jetzt nutzen:
“Mithilfe der Sperrminorität will die AfD die anderen Parteien in den kommenden Jahren vor sich hertreiben, sie erpressen und vorführen. »Wenn für eine Verfassungsänderung unsere Stimmen gebraucht werden, werden wir fordern, unsere Gesetzesvorhaben zu unterstützen«, sagt Landeschef Springer dem SPIEGEL. Er hat auch schon eine Idee, seine Partei dann durchsetzen will: »Etwa das Betretungsverbot für Asylbewerber bei Volksfesten.« Die anderen Parteien säßen in der Zwickmühle.”” (Quelle: Spiegel)
Zweite Kraft ist kein Anlass zur Beruhigung.
Die AfD hat ihr Ziel, stärkste Kraft zu werden, in Brandenburg zwar nicht erreicht. Es darf aber nicht in Vergessenheit geraten, mit wem wir es hier eigentlich zu tun haben. Daher eine Erinnerung:
Die Partei in Brandenburg ist zwar vom Verfassungsschutz noch nicht als gesichert rechtsextremistisch eingestuft, ist aber inhaltlich wie die anderen Landesverbände aufgestellt:
“In Brandenburg orientiert sich die AfD ideologisch sehr eng an dem, was ein Götz Kubitschek, der rechtsextreme Verleger und Freund von Björn Höcke, sagt, macht und denkt. Es gibt enge Verbindungen zu ihm aus dem Landesverband. Die AfD Brandenburg ist genauso rechtsextrem und völkisch wie die AfD in Thüringen und Sachsen, sie ist nur nicht offiziell vom Verfassungsschutz so eingestuft. Ich vermute aber, dass das demnächst passieren wird,” sagt Politikjournalistin Ann-Katrin Müller dazu in dieser Adé AfD-Folge:
Die AfD hat in Brandenburg mit rassistischen und extremistischen Forderungen Wahlkampf gemacht. Ein Ausschnitt:
Mit einem Antrag stellte die Landtagsfraktion in Brandenburg pauschal ganze Bevölkerungsgruppen unter Verdacht:
Sie beantragte nach dem Terrorangriff von Solingen im Parlament ein "Betretungsverbot öffentlicher Veranstaltungen" für Asylberechtigte, ukrainische Kriegsflüchtlinge, vollziehbar ausreisepflichtige und geduldete Ausländer sowie Asylantragsteller. Zur Einordnung: Das ist Populismus, es verstieße gegen das Grundgesetz und wäre praktisch nicht durchsetzbar. (Quelle u.A.: Migazin) Außerdem sollten Vereine, die sich der Vielfalt verschreiben, sollten die Gemeinnützigkeit verlieren. (Quelle: MAZ Online)
Die innenpolitische Sprecherin der Brandenburger AfD-Fraktion Kortré forderte eine "privatisierte Abschiebeindustrie" (Quelle: ZEIT)
AfD-Spitzenkandidat Brandt forderte ein Verbot der Regenbogenflagge auf öffentlichen Gebäuden. (Quellen: Focus Online)
Die AfD sieht sich als “Partei der Jugend” - und hat damit leider auch noch Recht.
In Brandenburg hat sich verfestigt, was sich schon in Thüringen und Sachsen abzeichnete: Die AfD ist bei jungen Wähler_innen besonders beliebt. So wurde die AfD in der Gruppe der 16- bis 24-Jährigen die mit Abstand stärkste Partei: 32 Prozent laut infratest dimap (SPD auf Platz zwei mit 19 Prozent, die CDU lag bei neun Prozent). (Quelle: Tagesschau)
Auch wenn der Einfluss auf das Gesamtergebnis gering ist, reden wir hier immerhin über eine Generation, die unser aller Zukunft prägen wird und deshalb müssen wir hier alle mit den Gründen beschäftigen, warum sich so viele junge Wähler_innen zur AfD hingezogen fühlen:
👉 Für junge Wähler_innen ist die AfD eine normale Partei:
Laut der Jugendwahlstudie hat bei jungen Menschen eine "Normalisierung der Partei" stattgefunden. Viele Jugendliche würden die AfD nicht mehr als rechtsextrem wahrnehmen und ordneten sie nicht in das klassische Links-Rechts-Spektrum ein, so der Generationenforscher Rüdiger Maas. Für junge Wähler ist die AfD also eine Partei wie jede andere auch. (Quelle: Interview Rüdiger Maas mit RNZ)
👉 Die Normalisierung der AfD liegt nicht nur an der Partei selbst:
Andere Parteien tragen aus Sicht von Maas durch das eigene Vorgehen eine gewisse Mitschuld: Kanzler Olaf Scholz habe mit seinem "wir müssen großflächig abschieben" - ähnlich wie die CDU - AfD-Themen stark aufgegriffen und einen Nährboden für die Partei geschaffen, sagt Maas.
"Das heißt, dieses Nachahmen von der AfD führt tatsächlich immer mehr dazu, dass AfD-Wähler*innen sich immer mehr bestätigt fühlen im richtigen Spektrum zu sein." Das treffe eben auch sehr stark auf die jungen Wähler*innen zu, sagt Maas weiter. (Quelle: ZDF)
60 Prozent der AfD-Wähler fänden es tatsächlich inhaltlich gut, was die AfD macht. Man müsse sich also von der Mär verabschieden, dass das alles Frustwähler seien, sagt Rüdiger Mass. (Quelle: RNZ)
Jugendpolitikexpertin Anna Grebe sieht das ähnlich: “Da sich keine der anderen Parteien in den vergangenen Jahren ernsthaft und glaubwürdig für die Perspektiven und Themen junger Menschen interessiert hat (Wohnen, Bildung, Sicherheit, Mobilität), verfangen die Versprechungen der AfD besonders gut, denn gerade für Erstwähler*innen ist seit ihrer Kindheit die AfD eine völlig normale Partei neben anderen Parteien und somit auch wählbar. (Quelle: Adé AfD-Folge vom 2.9.)
👉 Die AfD setzt da an, wo andere Parteien nicht sichtbar sind:
“Wir haben in den letzten Jahre oft den Fehler gesehen, dass junge Leute mit Junge-Leute-Themen assoziiert werden, sowas wie Bildung oder Digitalisierung. Aber viele Studien der letzten Jahre zeigen, dass die Themen junger Menschen auch die Themen Erwachsener sind. (...) Wir sehen, (...) dass die AfD es nicht nur schafft, diese Ängste und Sorgen zu bewirtschaften und regelrecht zu triggern, sondern sie spricht diese Gruppe auch an, in Brandenburg zum Beispiel mit einem Regierungsprogramm für Schülerinnen und Schüler, das verteilt wurde (...). Da und auch im generellen vorpolitischen Raum, in Jugendclubs, im zivilgesellschaftliche Engagement, in Vereinen, waren und sind die anderen Parteien nicht nur in Ostdeutschland aber sicherlich dort nochmal im Besonderen nicht gut sichtbar.” Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach in der ARD-Talksendung “Caren Miosga”
Das bestätigt auch Jugendpolitikexpertin Grebe: “Junge Menschen wählen aus denselben Gründen die AfD wie ältere Menschen: weil sie mit den Positionen der Partei in Teilen übereinstimmen, nicht aus Protest.”
Apropos Erwachsenenthemen: Sicherheit ist laut der Jugendstudie und Forscher Maas mit Abstand das wichtigste Thema: “Die Jugendlichen haben ein Gefühl von absoluter Unsicherheit und dass alles den Bach runtergeht. Das hören sie permanent auf Social Media oder von ihren Eltern. Und sie wachsen in einer Zeit der permanenten Krisen wie der Corona-Pandemie oder dem Ukraine-Krieg auf.” (Quelle: RNZ)
👉 Soziale Medien spielen eine große Rolle:
Tatsächlich spricht die AfD junge Wähler und Wählerinnen geschickt an - indem sie ihre Sprache und (digitale) Kommunikationskanäle nutzt. Ob TikTok-Botschaften oder rassistische Online-Spiele (siehe oben), die Partei und die Junge Alternative (JA) setzen auf jugendgerechte Formate und emotionale Botschaften, die bei jungen Menschen Anklang finden.
Als Beispiel: Unter anderem produzierten die JA mit Hilfe von künstlicher Intelligenz im Wahlkampf ein rassistisches Lied, darin heißt es, »Hey, was geht ab, wir schieben sie alle ab« - was sie dann via Soziale Medien wie TikTok bewarb. Das Lied wurde u.A. auf der Brandenburger Wahlparty der AfD gespielt (mehr zum Polizeieinsatz dazu hier). Ebenso veröffentlichte die Junge Alternative im Brandenburger Wahlkampf ein Onlinespiel, in dem Spieler_innen selbst Menschen abschieben konnten. (Quelle: Spiegel )
Ebenfalls im Wahlkampf präsent: Maximilian Krah, der erst vor wenigen Monaten aufgrund seiner Äußerungen über die SS aller Parteiämter enthoben wurde und nun in Brandenburg gezielt Wahlkampf für junge Menschen machte. Wer sich über seinen Einsatz und den der Jungen Alternative einen Einblick verschaffen will, dem empfehle ich dieses SPIEGEL-Video.
Generationenforscher Dr. Rüdiger Maas erklärt: "Populistische Themen kann man besser emotionalisieren. (...) Etwa 52 Prozent der Jungen haben uns berichtet, dass sie ihre ganzen Informationen über Politik über die Sozialen Medien beziehen. Dort sehen sie dann etwa gefälschte Videos, wo Flüchtlinge Omas entführen. Und das sind oft gar nicht Inhalte von AfD-Politikern, sondern von anderen Akteuren. Dieser Einfluss wird von den anderen Parteien sehr stark unterschätzt.” (Quelle: RNZ)
Wer sich noch konkreter mit diesen Strukturen und vor allem den Vorgehensweisen rechtsextremer Influencer_innen und Parteien auf TikTok beschäftigen möchte, dem empfehle ich diesen Artikel zum rechtsextremen Kulturkampf von Expertin Theresa Lehmann.
👉 Was würde helfen?
Junge Menschen als Wählerinnen - auch wenn sie vielleicht aktuell zahlenweise noch nicht Wahlen entscheiden, mit ihren Themen ernst nehmen. Denn natürlich ist es sinnvoll, Parteien wie der AfD nicht die Sozialen Medien zu überlassen - aber man muss sich auch überlegen, was man dort für ein Angebot machen will. Das reine “Dagegen sein” hilft nicht - das simple Dämonisieren auch nicht.
Jugendpolitikexpertin Grebe ergänzt: “Statt Debatten allein über die schlechte Kommunikation der demokratischen Parteien mit der jungen Wähler*innenschaft zu führen (TikTok und Co.), sollte nun ganz oben auf der politischen Agenda stehen, junge Menschen zu befragen und nachhaltig an der Gestaltung der Zukunft in Deutschland zu beteiligen.” (Quelle: Adé AfD-Folge vom 2.9.)
Wie seht ihr das: Wie sollten, könnten eurer Meinung nach die demokratischen Parteien junge Menschen adressieren? Wie erlebt ihr das, vielleicht auch zuhause in Familiendebatten?
🤜🤛 Zum Schluss: Was können wir jetzt tun?
Diskutieren und widersprechen - da wo es hilft:
Dabei sollten wir an unser nächstes Umfeld denken. Denn die höchste Chance, Menschen zu erreichen, haben wir in genau dort, sei das in der Familie, im Freundeskreis oder sogar im Job. Sucht die Gespräche, wenn ihr könnt, steht auf und ein, wenn ihr Aussagen hört, die euch widerstreben.
Ich weiss, das ist nicht leicht.
👉 Deshalb gibt es hier meine ganz persönliche Einspruchsformel:
Situation einschätzen: Ist eine betroffene Person anwesend, wenn eine menschenfeindliche Aussage gemacht wird? Dann ist es wichtig, Solidarität zu zeigen – und der betroffenen Person die Wahl zu lassen, wie diese Unterstützung aussehen soll. Wichtig: Widerspruch ist unerlässlich, menschenfeindliche Positionen dürfen nicht unwidersprochen bleiben.
Vorbereitung nutzen: Nicht jede_r von uns kann sofort einen passenden Widerspruch formulieren. Aber man kann sich einen Satz zurechtlegen und üben, vielleicht sogar vor dem Spiegel: „Das kann ich so nicht stehen lassen. Für mich klingt das menschenverachtend.“
Ziel festlegen: Möchte ich eine klare Grenze ziehen oder eine ausführliche Diskussion führen?
Grenzen setzen – sowohl für sich selbst als auch für das Gegenüber! Überleg dir für dich, wo deine roten Linien sind - dann musst du nicht im Gespräch ständig neu überlegen.
Tipp: Trenne zwischen der Aussage und der Person. Statt „Du bist rassistisch“ lieber: „Deine Aussage ist rassistisch.“ So gibst du deinem Gegenüber auch die Möglichkeit, sich zu korrigieren.
Unterstützung suchen. Wenn eine Person wiederholt solche Sprüche macht, ist es hilfreich, Verbündete im Freundeskreis, Job oder der Familie zu finden: „Sollen wir das beim nächsten Mal gemeinsam ansprechen?“
Und unterschätzt nicht, welchen Einfluss ihr zum Beispiel auch am Arbeitsplatz haben könnt. Eine Übersicht, wie ihr auch dort Zivilcourage zeigen könnt, findet ihr in dieser Adé AfD-Folge:
Das war’s für heute. Wenn euch diese Folge gefällt, freue ich mich, wenn ihr mich oder den Newsletter empfehlt.
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Kommunikation & KI: Einsatz in politischer Kommunikation (z.B. in Pressestellen, im Wahlkampf), gegen Desinformation, Hatespeech & die AfD.
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📖 Mein Sachbuch “Anleitung zum Widerspruch” liefert klare Antworten auf Parolen, Vorurteile und Verschwörungstheorien. Das Buch erklärt dir, was du sagen kannst, wenn du schlicht nicht weiter weißt und dich sprachlos fühlst. Zum Beispiel: Was sage ich bei rassistischen Sprüchen, wie reagiere ich auf Antisemitismus und kann ich lernen besser zu streiten (Spoiler: Ja!)?
Eine lesenswerte Ausgabe mit tollen Analysen, danke dafür.
Yeahi 3000 LeserInnen - Glückwunsch!!!!!!