Zivilcourage im Job: Wie widerspreche ich rechtsextremen Parolen?
Deine konkrete Anleitung, wie du vorgehen kannst.
Hallo und herzlich Willkommen zur neuen Folge Adé AfD,
ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich freue mich in diesen Tagen über konkrete Tipps und Anleitungen, wie ich mit den Inhalten der Nachrichten umgehen kann, die mich erreichen. Weil ich mich weder hilflos noch sprachlos fühlen möchte - und wir das auch nicht sind.
Nehmen wir zum Beispiel das Video aus Sylt, in dem klar zu sehen ist, was jeden Tag Alltag ist in Deutschland: Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Wir alle können uns in unserem eigenen, vielleicht kleinen Wirkungskreis jeden Tag dafür einsetzen, in so einem Fall Zivilcourage zu zeigen.
Deshalb möchte ich heute in diesem Newsletter auf einen Ort eingehen, an dem sich viele von uns jeden Tag aufhalten und an dem wir uns auch gegen Menschenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Populismus und für demokratische Werte einsetzen können: Den Arbeitsplatz.
Denn:
Jeden Tag kommen hier unterschiedlichste Menschen mit unterschiedlichsten, Hintergründen, Meinungen und Perspektiven zusammen.
Wo sonst verbringen Menschen in all ihrer Vielfalt so viel Zeit miteinander - ohne sich einander direkt zum Beispiel als Freund_innen ausgesucht zu haben.
Und gerade deshalb müssen wir uns dort einbringen. Zivilcourage zeigen, wenn rassistische Sprüche in der Kantine fallen. Widersprechen, wenn wir rechtsextreme oder rechtspopulistische Aussagen im Meeting hören.
🙋♀️ Bevor wir loslegen noch ein Hinweis in eigener Sache: Triff mich auf der re:publica, wenn du wissen willst, mit welchen Hacks und Tipps du auch im Job politische Diskussionen führen und tagesaktuelle Ereignisse auffangen kannst. Meine Session “Wie wir die Demokratie auch am Arbeitsplatz retten” ist am Mittwoch, 29.6., um 15:00 auf der Stage 9. Ich freu mich auf euch!
Und jetzt lasst uns darüber sprechen, wie wir Zivilcourage im Job zeigen können. Los geht’s!
❓ Was kann ich tun?
Viele von uns werden das kennen: Wir hören etwas und wissen: Das sollte man so nicht stehen lassen. Ich sage das hier ganz bewusst aus meiner Perspektive: Man hört zum Beispiel etwas Rassistisches, etwas Antisemitisches bei der Mittagspause und weiss, da muss, da sollte, da will ich widersprechen - und weiss nicht wie, traut sich nicht, schreitet nicht ein, lässt es stehen, die Unterhaltung geht weiter.
Drei Gedanken dazu:
👉 Wir müssen uns vor Augen halten, dass Ereignisse wie auf Sylt keine “Ausnahme” sind und nicht immer nur “die Anderen” menschenfeindliche Dinge denken und sagen. Gilda Sahebi, die Autorin von “Wie wir uns Rassismus beibringen”, hat das in einer Adé AfD-Folge bereits so auf den Punkt gebracht:
Rassismus ist überall zu finden, nicht nur in der AfD, nicht nur an den Rändern unserer Gesellschaft. Rassismus ist nicht gleich Rechtsextremismus oder überhaupt Extremismus. Rassistische Narrative gab es immer schon in allen Schichten, in allen Gruppen unserer Gesellschaft. Parteien wie die AfD können nur deswegen mit Rassismus mobilisieren, weil sie an die rassistischen Denkmuster in der demokratischen Gesellschaft anknüpfen können.
All das ist also nicht neu: Die Normalisierung von Menschenfeindlichkeit gibt es nicht erst seit der AfD. Sie ist Bestandteil der Geschichte, geschichtlich gewachsener Narrative und Debatten. Denn: Menschen werden, das wird kaum jemanden überraschen, nicht mit rassistischen Vorurteilen geboren. Menschen erlernen diese Denkmuster, so wie sie alles erlernen.
Die ganze Folge findet ihr hier:
👉 Vorfälle wie auf Sylt sind nicht neu. Um es auf genau diesen Song zu beziehen: Seit Monaten gibt es Situationen in Deutschland, wo Menschen auf (öffentlichen) Veranstaltungen genau diese Parolen zu diesem Lied singen. Auf Dorffesten, beim Fasching, beim Ausgehen. Mehr Infos dazu findet ihr auch in diesem ZDF heute-Artikel.
👉 Wir müssen uns alle bewusst machen, wie bedeutsam und unerlässlich es ist, dass wir widersprechen, wenn menschenfeindliche Aussagen fallen und uns für Betroffene einsetzen, damit sich soziale Normen nicht noch weiter verschieben.
Die Sozialpsychologin Pia Lamberty beschreibt es so:
“Je stärker die soziale Norm bricht, dass Rassismus und Antisemitismus in einer Gesellschaft nicht erwünscht sind, desto offener wird Menschenverachtung geäußert und desto eher schlagen Einstellungen auch in gewalttätige Handlungen um. Das Problem sind nicht nur die Menschen, die offenen Rassismus und Antisemitismus verbreiten, sondern auch die “Türöffner”, die normalisieren.” (Quelle: Pia Lamberty auf Instagram)
👉 Wenn wir schweigen und bestimmten Aussagen nichts entgegensetzen, tragen wir alle zur Normalisierung von menschenfeindlichen Aussagen bei. Auch am Arbeitsplatz.
❓ Wie kontere ich eine menschenfeindliche Aussage im Job?
➡️ Unterscheide je nach Situation:
Sind betroffene Kolleg_innen dabei? Zieh klare Grenzen und lass menschenfeindliche Aussagen nicht im Raum stehen.
Zeig Solidarität mit Betroffenen:
Hör zu. Die Person, die angegriffen, herabgewürdigt wurde, sollte bestimmen können, was sie in dem Moment möchte. Jemanden, der zuhört und nichts sagt. Jemanden, der einschreitet. Jemanden, der laut ist. Jeder Mensch ist anders - deswegen: Zuerst zuhören.
Signalisiere Unterstützung: Wenn eine Person direkt betroffen ist, zeige ihr, dass sie nicht allein ist. Sage etwas wie: „Ich stehe hinter dir und finde diesen Kommentar inakzeptabel.“
Fällt die Aussage in einem Meeting? Auch wenn niemand direkt betroffen ist, widersprich klar und deutlich, damit die Aussage nicht unwidersprochen bleibt. Du kannst auch anbieten, eine Diskussion, die sich auf deinen Widerspruch hin entwickelt, nach dem Meeting fortzusetzen.
➡️ Bereite dich vor:
Formuliere deinen Widerspruch: Überleg dir, was du sagen könntest, wenn so ein Fall eintritt. Sätze wie "Das kann ich so nicht stehen lassen" oder "Was du da sagst, ist menschenverachtend" parat zu haben, kann Dir in einer konkreten Situation dabei helfen, Position zu beziehen.
Üben: Bereite dich vor. Überlege dir Sätze wie "Ich kann diese Aussage so nicht stehenlassen, sie ist rassistisch." Übung kann helfen, ruhiger, sachlicher zu bleiben
➡️ Beschäftige dich mit deinen Grenzen:
Vermeide orangene Grenzen: Wir reden oft von roten Linien, klaren Grenzen. In der Realität verrutschen sie aber oft ins Orangene, werden schwammig und unklar. Überlege dir deshalb genau, wo deine Grenze ist. Zieh klare, rote Linien für dich selbst. Das hilft dir, sie in der Situation parat zu haben.
Wichtig: Du musst dich nicht rechtfertigen. "Stopp, bis hierhin und nicht weiter" reicht.
Trenne zwischen Person und Aussage: "Deine Aussage ist rassistisch" ist anders als "Du bist rassistisch." Gib deinem Gegenüber die Chance, sich zu korrigieren.
➡️ Bilde Allianzen:
Such dir Verbündete: Sprich in Zweiergesprächen mit Kollegen, um Gleichgesinnte zu finden. Hier könnt ihr zum Beispiel auch vereinbaren, in solchen Situationen gemeinsam Position zu beziehen.
➡️ Such dir Ansprechpersonen:
Bezieh Vorgesetzte und/oder HR mit ein: Wenn menschenfeindliche Äußerungen fallen oder gar trotz Aufforderung nicht aufhören, informiere deine Vorgesetzten oder beziehe HR mit ein. Dafür kann es helfen, die Aussagen zu dokumentieren. Das schützt auch andere Mitarbeitende vor Abwertung.
➡️ Weitere konkrete Methoden für Widerspruch im eigenen Umfeld, bessere Debatten und Umgang mit populistischen Aussagen findest du auch in diesen Folgen:
💡 Zum Abschluss…
… gibt es heute hilfreiche Links und Infos, wo du dir weitere, kostenlose Unterstützung für das Thema Umgang mit Rechtsextremismus oder Menschenfeindlichkeit im Job holen kannst:
Der Charta der Vielfalt e.V. hat eine Online-Toolbox für antirassistische Bewusstseinsbildung entwickelt.
Der paritätische Wohlfahrtsverband hilft mit einem FAQ für den Umgang mit rechtsextremen Mitarbeitenden.
Beim Business Council für Democracy kann man kostenlose Schulungen für Demokratiebildung in der eigenen Organisation buchen.
Das Projekt “United” von Gesicht Zeigen e.V. bietet Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus für Unternehmen und Institutionen an.
➡️ Schickt mir gerne weitere Hinweise auf gute, hilfreiche Projekte und Tools, ich trage sie in den nächsten Newslettern für uns alle zusammen.
Habt einen hoffentlich guten und informierten Start in die Woche.
Viele Grüße,
Franzi
🎉 Womit ihr mir eine ganz besondere Freude macht: Wenn ihr Menschen kennt, die auch alle Infos, Tipps, Argument und Ideen haben wollen, um zu verhindern, dass Rechtsextreme an die Macht kommen: Leitet ihnen gerne diesen Newsletter weiter.
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Zum Beispiel für:
Strategien zur Positionierung und im Umgang mit gesellschaftspolitischen Themen: Ich entwickle politische Kommunikation für Führungskräfte in Unternehmen, Verbänden, NGOs (z.B. zu Themen wie Rechtsextremismus oder Bundestagswahl 2025).
Workshops & Formate: Kommunikation, Demokratie am Arbeitsplatz, Social Media-Strategie und Rhetorik (z.B. Umgang mit Populismus).
Kommunikation & KI: Einsatz in politischer Kommunikation (z.B. in Pressestellen, im Wahlkampf), gegen Desinformation, Hatespeech & die AfD.
Keynotes, Vorträge und Panels zu Kommunikation, Demokratie, Populismus oder KI.
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📖 Mein Sachbuch “Anleitung zum Widerspruch” liefert klare Antworten auf Parolen, Vorurteile und Verschwörungstheorien. Das Buch erklärt dir, was du sagen kannst, wenn du schlicht nicht weiter weißt und dich sprachlos fühlst. Zum Beispiel: Was sage ich bei rassistischen Sprüchen, wie reagiere ich auf Antisemitismus und kann ich lernen besser zu streiten (Spoiler: Ja!)?