Die Anti-Wut-Strategie für Fake News, Donald Trump & Populismus
Endlich besser auf aggressive Diskussionen und Informationsflut reagieren.
Hallo und herzlich willkommen zur neuen Folge Adé AfD,
Rechtsextreme Riots in Großbritannien. Gehässige Diskussionen über die Boxerin Imane Khelif auf Social Media. Aufwühlende Wahlkämpfe und Plakatkampagnen rechtsextremer Parteien. Es ist sehr viel los, wir bekommen viele Informationen gleichzeitig und können viel Zeit und Nerven in hitzig geführten Debatten - ob off- oder online - verlieren.
Ich frage mich: Können und müssen wir besser lernen, mit der eigenen Zeit und Energie umzugehen? Und: Wie verhindern wir, dass uns die vielen Informationen und vor allem Falschmeldungen emotionalisieren?
Das erklärt uns heute die Digital-Expertin Ingrid Brodnig. Ingrid ist Bestellerautorin und Journalistin und beschäftigt sich seit Jahren nicht nur mit Internet und Desinformation, sondern damit, wie wir als Menschen damit umgehen, wenn wir mit Fake News, Hass und Emotionalisierung konfrontiert werden. Spoiler: Sie weiss, wie wir es besser machen können!
Ihr neues Buch, das ich euch sehr ans Herz lege, heißt “Wider die Verrohung”. Darin erklärt sie uns, mit welchen Strategien viele Debatten unserer Zeit gezielt zerstört und verroht werden, zum Beispiel mit dem kalkulierten Einsatz von Wut. Und sie gibt Tipps, wie man auf politisch erhitzte Debatten und Fake News besser antworten kann.
🏆 Ihr habt Glück: Ich darf ein Exemplar des bereits-jetzt-schon-Bestsellers verlosen! Schreibt mir einfach bis morgen Abend, 13.8., 20:00, eine E-Mail mit eurer Adresse, dann kommt ihr in den Lostopf.🏆
💡 Für diese Folge erklärt uns Ingrid in sechs konkreten Tipps, wie wir alle mit Wut besser umgehen und was wir Fake News und der steigenden Informationsflut entgegensetzen können.
Und wer noch mehr Hacks für Gespräche in aufgeheizten und politisch polarisierten Zeiten sucht: Im stern-Podcast "Die Boss" verrate ich meine besten rhetorischen Tipps für Diskussionen in der Familie, am Arbeitsplatz und im Netz (und warum mir Tesa-Film dabei sehr geholfen hat).
Ich übergebe an Ingrid:
⚡ Wir müssen die Wirkmacht von Wut verstehen.
Wut ist oft eine notwendige Reaktion, etwa bei Ungerechtigkeit. Wenn Frauen nicht wütend gewesen wären, hätten sie niemals das Wahlrecht erkämpft. Gleichzeitig ist es so, dass „wütende Menschen sich in relativ automatische, oberflächliche und heuristische“ Prozesse begeben, wie es die Psychologinnen Jennifer Lerner und Larissa Tiedens beschreiben.
Das heißt, man tut sich womöglich umso schwerer mit Argumenten, die der eigenen Sicht widersprechen, man sucht eher simple Wahrheiten. Wenn unterschiedlich eingestellte Menschen gerade wütend sind, ist es auch eher unrealistisch, dass man aufeinander zugeht.
Auch macht Wut für Falschmeldungen anfällig, weil jene erfundenen Geschichten leichter ins eigene Denken durchrutschen, die gut zur eigenen Wut passen.
Deshalb ein Tipp: Gerade, wenn man wütend ist, auf die Qualität der Medien achten, dort mitlesen, wo zum Beispiel journalistische Sorgfaltspflichten (mehr als bei anderen) eine Rolle spielen. Denn gerade wenn man wütend ist, besteht die Gefahr, dass man auf Falsches hineinfällt, weil man in diesem Moment ganz besonders nach Bestätigung sucht.
☝️ Immer hinterfragen: Lohnt sich das?
Wenn man aufwühlende Debatten erlebt, lohnt es sich, die Frage zu stellen: Ist das eine Debatte, die meine Zeit/meine Energie/meine Denkleistung verdient hat? Achtung: Populist:innen und Extremist:innen wollen uns oft in Debatten über Nebensächlichkeit hineinlenken, die emotional aufgeladen und von Schwarz-Weiß-Denken geprägt sind.
Bei der Beantwortung dieser Frage hilft auch, Zeit verstreichen zu lassen: Also das Thema mindestens ein paar Minuten liegen zu lassen, sich einen Kaffee oder Tee zu holen, oder darüber zu schlafen. Denn im Moment der Wut bewerten wir eine Provokation womöglich als wichtiger als am Tag darauf. Der Moment der akuten Wut ist oft ein schlechter Zeitpunkt, um strategisch sinnvolle Schwerpunkte zu setzen.
Aufgepasst: Social Media gibt einem oft das Gefühl, man müsse sofort eine Antwort parat haben: Aber oft sind wir im ersten Moment nicht unbedingt eloquent und manchmal gibt es auch Fälle, in denen taktisches Schweigen sinnvoll ist (sicher nicht immer, aber manchmal). Und: „Mich ärgert das gerade sehr, aber ich möchte das noch etwas einsickern lassen“, kann ein Satz sein, den man sich für das persönlichen Gespräch zurecht legt, um sich Zeit zum Nachdenken zu geben.
Wann trotzdem reagieren? Sinnvoll ist eine Reaktion in meinen Augen zum Beispiel dann, wenn es darum geht, Menschen den Rücken zu stärken, die angefeindet werden, oder bei Themen für Aufklärung zu sorgen, in denen man tatsächlich Einordnung und Kontext fachlich liefern kann.
😡 “Achtsam wütend sein” 😇
Wenn ich auf problematische Vorfälle reagiere, auf meine eigene Menschlichkeit achten: „Achtsam wütend sein“, nennen das die Kommunikationswissenschaftlerinnen Whitney Phillips und Diane Grimes.
Dabei hilft: Sich gezielt die Menschlichkeit der anderen Person vor Augen zu führen, selbst wenn man zu Recht Wut über sie verspürt. Man muss die Person nicht mögen, man muss den Schaden, den jemand anrichtet, nicht verharmlosen. Aber es kann einem selbst guttun, sich vor Augen zu halten, dass man es bei dieser Person mit einem Menschen, einem Individuum zu tun hat.
Hinweis: Blinde Wut hilft nicht weiter. Denn: Von dieser profitieren nur jene, die ein gesellschaftliches Diskussions- oder eher Streitklima provozieren wollen, in der Empathie zur Mangelware und ein grob vereinfachtes Schwarz-Weiß-Denken zum Normalfall werden.
💬 Geschickt reagieren – und zwar mit diesem Kniff:
Wenn ein unfairer Vorwurf im Raum steht, kann es sinnvoll sein, den Blick nicht rein auf die unfaire Behauptung zu lenken, sondern vorrangig diese Behauptung einzuordnen.
Das Beispiel: Donald Trump hat US-amerikanische Medien zum Beispiel als „enemy of the people“ bezeichnet. Die Gefahr ist, dass beim Widerspruch oft vorrangig eine Verneinung passiert, also etwa: „Wir sind nicht der Feind der Bevölkerung“, dabei wird aber die Anschuldigung auch prominent wiederholt.
💡 Stattdessen: Die “Truth Sandwich”-Technik anwenden.
Man steigt mit einer wahren Information ein, denn die zuerst erwähnte Info hat Vorrang. Dann erwähnt man die Falschheit, ordnet sie ein, ohne ihr groß Raum zu geben. Und dann schließt man wieder mit etwas Richtigem.
Die Methode des Truth Sandwich hat eine große Stärke: Sie erinnert einen daran, darauf zu fokussieren, was man eigentlich argumentativ in den Mittelpunkt stellen möchte – und gerade bei provokativen Aussagen vergisst man das leicht.
👉 Das kann dann so aussehen:
Trump fällt damit auf, besonders oft Falschheiten zu verbreiten und negativ über Journalistinnen und Journalisten zu sprechen (➡️ richtige Info). Er nannte einige US-Medien sogar „enemy of the people“ (➡️ Vorwurf, dem man entgegnen will). Indem Trump über Medien, die kritisch über ihn berichten, abschätzige Bemerkungen verbreitet, immunisiert er sich vor Kritik: Denn den eigenen Fans wird suggeriert, was sie von Medien wie die „New York Times“ lesen, müssen sie nicht ernstnehmen, die sind ihre Feinde (➡️ zusätzliche Einordnung).
👉 Mehr rhetorische Kniffe findet ihr auch in diesen Adé AfD Folgen:
💗 Sich und andere an Empathie erinnern:
Die allerärgsten Hater im Netz wird man argumentativ wohl kaum erreichen. Trotzdem lohnt es sich, an Empathie zu appellieren.
Ein Beispiel: Der Schweizer Staatswissenschaftler Dominik Hangartner gemeinsam mit Kolleg:innen untersucht: Menschen, die auf Twitter (jetzt: X) rassistische Posts verfasst hatten, wurden an Empathie erinnert. Es wurde zum Beispiel darauf hingewiesen, dass die verwendete Sprache für die jeweilige Gruppe verletzend sein kann. Daraufhin löschten die angeschriebenen Personen in 8,4 Prozent der Fälle ihren rassistischen Tweet.
➡️ Man sieht hier: Appelle an Empathie sind kein Wundermittel, man überzeugt nicht die Mehrheit derjenigen, die herabwürdigend auftreten. Aber es kann ein stückweit dazu beitragen, dass ein Teil der Akteur:innen zurückrudert.
🧲 Die “false polarization” bedenken:
😡 Kennt ihr das? Man bekommt auf Social Media den Eindruck, dass die Menschen viel gespaltener sind, als das in der tatsächlichen Bevölkerung der Fall ist. Das nennt man „false polarization“.
😡 Social Media funktioniert wie ein Zerrspiegel: Man sieht oft die Überzeugtesten und Lautesten, kriegt auch eher Wut-Debatten mit. So beobachtete die Psychologin Molly Crockett in den USA: Wenn man vergleicht, wie oft Menschen in persönlichen Gesprächen, beim Konsum traditioneller Medien (Print, TV, Radio) oder im Internet von Handlungen erfahren, die in ihren Augen unmoralisch sind und dann Wut und Ekel auslösen, zeigt sich klar, dass das Internet die Sichtbarkeit von Entrüstung begünstigt.
😌 Was hilft: Sich ein Kontrastprogramm zur hitzig geführten Social-Media-Debatte zu suchen – zum Beispiel kann man nüchterne Radionachrichten konsumieren oder offline Gespräche suchen und schauen, ob diese weniger kontrovers ablaufen.
🙏 Danke sehr an Ingrid für die hilfreichen Tipps und Hacks - euch allen wünsche ich einen gut informierten, wutfreien Start in die Woche,
Franzi
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Strategien zur Positionierung und im Umgang mit gesellschaftspolitischen Themen: Ich entwickle politische Kommunikation für Führungskräfte in Unternehmen, Verbänden, NGOs (z.B. zu Themen wie Rechtsextremismus oder Bundestagswahl 2025).
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Kommunikation & KI: Einsatz in politischer Kommunikation (z.B. in Pressestellen, im Wahlkampf), gegen Desinformation, Hatespeech & die AfD.
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Mehr zu mir findet ihr hier.
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