Hallo und herzlich Willkommen zu einer neuen Folge Adé AfD,
16 Prozent für die AfD. Das ist erschreckend. Wir müssen jetzt genau hinschauen, was das für Deutschland und die EU bedeutet. Denn nicht nur hier, sondern auch in vielen anderen EU-Ländern legten Rechtspopulist_innen und extreme Rechte zu und erlangten fast ein Drittel der Stimmen. In Frankreich holte der Rassemblement National 31,5 Prozent, in Österreich die FPÖ 27 Prozent und in Italien die Fratelli d’Italia 27,7 Prozent.
👉 Für die EU bedeutet das:
Mehr rechtsextreme Abgeordnete im Parlament, die es sich in ihren Wahlprogrammen zum Ziel gesetzt haben, dieses Parlament zu schwächen oder sogar ganz abzuschaffen.
Konkret buhlen Fraktionen jetzt um neue Abgeordnete, und am rechten Rand könnten sich einige Parteien zu einer neuen Fraktion zusammenschließen. Das Parlament ist zwar gewählt, aber die politischen Kräfte müssen sich jetzt erst noch formieren.
Es liegt an uns, genau hinzusehen und aktiv zu werden. Demokratie ist kein Selbstläufer, sie braucht unseren Einsatz. Jetzt mehr denn je.
Für Deutschland habe ich für uns drei erste Erkenntnisse, was wir aus dem AfD-Wahlerfolg lernen, zusammengetragen - und freue mich, wenn ihr mir eure schickt. Was denkt ihr nach den Wahlergebnissen, welche Konsequenzen seht ihr - und welche Inhalte wünscht ihr euch hier, um die gestrigen Ergebnisse noch besser zu verstehen? Schickt mir eure Fragen, eure Ideen, eure Gedanken, ich freue mich darauf.
👉 Die Wähler_innen wählen die AfD nicht aus Protest:
Die Wähler_innen wählen die AfD nicht trotzdem - sondern wegen ihrer Inhalte. Die Skandale des Wahlkampfes haben ihr nicht geschadet. 82% der Wähler:innen ist es egal, ob die Partei rechtsextrem ist (siehe dazu auch den Tweet von Politikberater Johannes Hillje).
Dass die AfD nach Einschätzung des Verfassungsschutzes in Teilen zweifelsfrei rechtsextrem ist, schreckt ihre Wähler nicht ab. Zwar schätzen auch 71 Prozent der Wahlberechtigten die AfD als rechtsextrem ein. Von denjenigen, die die AfD tatsächlich gewählt haben, sagen das aber nur fünf Prozent.
“Die AfD bleibt in starkem Maße eine Partei der Unzufriedenen und profitiert dabei offenbar stark davon, dass sich die Sorgen der Menschen gewissermaßen zu ihren Gunsten verschoben haben.(...) Bei der Europawahl verfestigt sich das Bild, das sich schon bei vorangegangen Wahlen gezeigt hat. Von einer reinen Protestpartei hat sich die AfD zu einer Partei entwickelt, der von einem nicht unerheblichen Teil der Wahlberechtigten Kompetenzen zur Lösung von Problemen zugeschrieben werden - vor allem beim für viele wichtigen Thema Zuwanderung, wo sie inzwischen vor SPD und Grünen liegt.” (Quelle: Tagesschau)
Wir dürfen nicht vergessen: Politische Einstellungen verändern sich nicht über kurze Zeit. Journalistin Gilda Sahebi beschreibt es so: “Menschen werden nicht über Nacht “rechts”. Einstellungen von Menschen sind im Gegenteil sehr konstant. Es ist die Normalisierung menschenfeindlicher Positionen, die diese Veränderungen bewirkt, politisch und medial.” (Quelle: Instagram/Gilda Sahebi)
👉 Die Skandale haben der AfD bei den Kernanhänger_innen nicht geschadet - woanders aber schon.
Die Kernanhängerschaft der AfD ist im Grunde gegen Skandale immun. Sie stehen hinter den Inhalten der Partei und wählen sie genau deswegen.
Eine zwischen Ende Mai und Anfang Juni durchgeführte Umfrage der Meinungsforschungsagentur Pollytix deutet daraufhin, dass die Skandale um Krah der AfD doch geschadet haben. Laut dieser Umfrage gaben 48 Prozent derjenigen, die noch im Januar vorhatten, die AfD zu wählen, dies zum Befragungszeitpunkt jedoch nicht mehr tun wollten, an, dass die Skandale ein „überzeugender Grund“ gewesen seien, ihre Wahlentscheidung zu ändern. (Quelle: welt.de)
Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky umschreibt es so: “Das ist kein Protest. Das hat Substanz. Die AfD ruft Einstellungen ab, die schon längst da waren; gleichzeitig wirkt sie verstärkend, indem sie durch ihre radikalen Positionen bspw in der Migrationspolitik Druck auf die etablierten Parteien aufbaut. Die Etablierten wiederum übernehmen diese Narrative zum Teil; insb. die Konservativen. Aus ihrer Sicht auch zunächst nachvollziehbar, aber wir wissen inzwischen: Wenn die Konservativen sich den Rechtspopulisten annähern, gewinnen im Zweifel Letztere.” (Quelle: X)
Das bedeutet: Ihre hohen Ergebnisse von vor Januar 2024 hat die AfD nicht erreicht. Auch weil Berichterstattung wie die Correctiv-Enthüllungen aufmerksam gemacht haben und Menschen gegen Rassismus, Rechtsextremismus und antidemokratische Bewegungen auf die Strasse gingen
👉 Mehr Infos zu AfD-Wähler_innen und zum Umgang der AfD mit rassistischen Inhalten zum Thema Migration findet ihr auch in diesen beiden Folgen:
👉 Die AfD gewinnt fast überall Stimmen - auch bei den jungen Wähler_innen. Doch genau da müssen wir genau hinschauen.
Aus der Union gingen 570.000 Stimmen an die AfD (und 260.000 Stimmen gingen an BSW). Neben den Stimmen der Union holte die AfD vor allem Stimmen von der SPD (570.000) und FDP (430.000). Die Partei verlor aber zugleich 160.000 Wäher_innen an das BSW - und 380.000 Stimmen ans Lager der Nichtwählenden. Mehr Infos zu den Wähler:_innenwanderungen findet ihr auch hier.
Die AfD hat aber auch bei den jungen Wähler:innen hohen Zulauf, im Segment der 16- bis 24-Jährigen holte die Partei 16% (Quelle: Morgenpost)
Anna Grebe, Expertin für Jugendpolitik, ordnet die Ergebnisse so ein:
“Wir dürfen nicht vergessen: Junge Wähler*innen bis 24 Jahre nehmen die AfD als etablierte Partei wahr, weil sie die Anfänge der Partei und ihre Radikalisierung nicht erlebt haben. Für sie gab es diese Partei immer - ein Parteienspektrum ohne die AfD ist für die Wähler*innen bis 24 kaum vorstellbar. Wer als junger Mensch die AfD wählt, tut dies nicht aus Protest.
In vielen, vor allen ländlichen Gegenden, ist die AfD eine Partei, die sich sehr nahbar zeigt für die Alltagssorgen junger Menschen. So werden nicht nur mit einfachen Lösungen Wähler*innen mobilisiert, die AfD spricht junge Menschen auf der emotionalen Ebene an.
Ein TikTok-Verbot ist aus meiner Sicht keine langfristige Lösung. Die wichtigsten Influencer_innen für junge Menschen sind wir Erwachsenen, sind die Eltern, die Familie, die Engsten. Wenn dort rechtes Gedankengut normalisiert wird, dann bewerten junge Menschen die Videos von Krah und Co. auch als „normal“ und die radikalen und menschenfeindlichen Aussagen als sagbar.” (Es lohnt auch ein Blick auf ihren Instagrampost zur Absenkung des Wahlalters, den ihr hier findet.)
👉 Zum Abschluss möchte ich euch diese drei Artikel empfehlen, die nachdenklich machen - und weitere Erkenntnisse liefern:
“Sie wissen sehr wohl, warum sie rechts wählen”, ein Kommentar von Alisa Schellenberg/ZEIT Campus zur Wahl vieler junger Europäer_innen für rechte Parteien. Ihr Fazit: Das nur auf TikTok und Protest zu schieben, wäre gefährlich. Die Gründe sind andere.
So viel Denkzettel steckt im Wahlabend: Ein Tagesschauanalyse von Holger Schwesinger auf Basis der Daten von infratest dimap, die viele Ergebnisse sehr klar einordnet.
AfD ist in vielen Gemeinden stärkste Kraft: Am Wochenende wurde auch in einigen Bundesländern Kommunalwahlen statt - auch hier sollten wir uns die Ergebnisse anschauen.
Das war’s für heute - ich wünsche euch einen guten und informierten Start in den Tag,
Franzi
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