Der Begriff "taktisch wählen" stößt bei mir allerdings immer sauer auf. Die Stimme des Einzelnen sollte die eigenen Überzeugungen und politischen Prioritäten widerspiegeln und eine Partei unterstützen, mit der man sich am meisten identifizieren kann. Und nicht, um als Mittel zum Zweck ein kleineres Übel zu wählen, damit das größere Übel nicht gewinnt. Langfristig sorgt das für den Ausschluss von kleineren Parteien und deren Meinungen und Themen und am Ende stehen wir wie in Amerika vor einem unbeweglichen und antidemokratischen Zwei-Parteien-System.
Außerdem könnte es die Politikverdrossenheit verstärken, wenn man Menschen erzählt sie sollen bitte den (zum Beispiel) stark konservativen Unionspolitiker mit der Erststimme wählen, weil er als einziger eine Chance hätte, ein AfD Direktmandat zu verhindern, obwohl sie sich mit beiden überhaupt nicht identifizieren können (wenn auch aus unterschiedlichen Gründen).
Anyway, danke für die ausführliche Arbeit am Newsletter 😊
Die 5%-Hürde lässt rechnerisch bis zu 20 Parteien zu. Realistischerweise werden es nicht mehr als 6 sein, aber auf jeden Fall sehe ich keinen Grund, weshalb es nur noch 2 werden sollten.
Dein Beispiel für taktisches Wählen finde ich etwas absurd, weil mir nicht klar ist, was das Ziel davon sein soll. Oben im Beitrag sind zwei Möglichkeiten für taktisches Wählen genannt, nämlich eine Partei mit der Zweitstimme über die 5%-Hürde zu bringen oder ihr mit der Erststimme eins von drei Direktmandaten zu ermöglichen. Sinnvollerweise würdest du das in deinem eigenen politischen Lager tun, also Linke oder FDP (oder BSW), und nicht komplett gegen deine Interessen wählen. Die CDU kannst du bei ihren Umfragewerten nicht taktisch unterstützen.
Das Beispiel war auf die Erststimme bezogen, nicht die Zweitstimme um kleinere Parteien über den 5% zu helfen. Und wenn ein AfD und ein CDU Politiker die aussichtsreichsten Kandidaten im Wahlkreis sind, würde taktisch wählen empfehlen, dem CDU Kandidaten die Stimme zu geben um den AfD Kandidaten zu verhindern. Die Zweitstimme ist in diesem konkreten Beispiel egal.
Und die Gefahr des Zwei-Parteien-Systems besteht natürlich nicht bei der aktuellen Wahl sondern in der Zukunft falls sich ein Trend des "ich wähle wen auch immer ich wählen muss um rechts zu verhindern" fortsetzt. Vielleicht erreichen FDP, Linke und BSW keine 5% und genügend Direktmandate und fallen aus dem Bundestag (keine allzu unrealistische Prognose). Dann besteht dieser aus AfD und drei anderen Parteien die evtl sogar alle drei zusammenarbeiten müssen, um eine AfD Regierungsbeteilgung zu verhindern. Und bei der nächsten Wahl heißt es dann "wähle keine Partei die nicht im Bundestag sitzt, denn sonst reicht es vielleicht nicht, um die afd zu verhindern". Ich hoffe, der Gedankengang ist verständlich 😅
Ich kann den Gedankengang nicht nachvollziehen,nein. Aber möchte auch nicht mehr darauf eingehen.
Worauf ich eingehen möchte ist dein Argument mit der Erststimme. Das verstehe ich nämlich immer noch nicht außer so, dass du nicht verstehst, wie gerade bei dieser Bundestagswahl das Wahlsystem funktioniert. Wir haben jetzt für Direktmandate, die über den Zweitstimmenanteil hinausgehen, eine neue Regelung. Anstatt dass diese Direktmandate behalten werden können (wie vor 2013, verfassungswidrig), oder dass sie ausgeglichen werden, indem die anderen mehr bekommen (wie zB 2021), fallen die Direktmandate mit dem schlechtesten Wahlergebnis weg.
Konkretes Beispiel, nehmen wir Mecklenburg-Vorpommern, Wahlkreis Schwerin etc. Laut https://www.election.de/cgi-bin/showforecast_btw25.pl wird dort voraussichtlich der AfD-Mann Leif-Erik Holm die meisten Stimmen (79% - EDIT: das ist die Gewinnwahrscheinlichkeit, nicht der Stimmenanteil) bekommen und er wird trotzdem nicht in den Bundestag kommen - auch wenn er auf Landeslistenplatz 1 steht. Die Anzahl der Sitze der AfD-Abgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern kann die Erststimme nicht beeinflussen, da ist kein "taktisches wählen" möglich, und wenn mehr Direktmandate an andere Parteien gehen, dann bekommt die AfD halt mehr über die Landesliste.
"Taktisch wählen" mit der Erststimme entscheidet dann nicht über AfD ja oder nein, sondern welche AfDler in den Bundestag kommen. Klar geht das auch darüber, dass der CDU-Kandidat die meisten Stimmen bekommt. Aber nicht nur. Selbst wenn er die meisten Stimmen bekommt, konkurriert Holm gegen seine Parteifreunde aus Mecklenburg-Vorpommern. Dafür ist es egal, ob in Schwerin die anderen Stimmen an den CDU-Kandidaten oder an andere Kandidat*innen gehen. Wenn ich "taktisch wählen" und Holm verhindern möchte, dann kann ich entweder in Schwerin irgendwen anderes wählen oder sogar in einem anderen Wahlkreis für(!) den/die AfD-Kandidat*in stimmen. Und natürlich mit der Zweitstimme eine Partei außer der AfD, die in den Bundestag einzieht.
Lange Rede kurzer Sinn: wenn dir jemand sagt, du kannst mit der Erststimme für die CDU die AfD schwächen, dann ist das falsch. Du kannst mit der Erststimme in begrenztem Umfang entscheiden, wer für die AfD in den Bundestag einzieht, aber nicht wieviele.
Die detaillierteste und umfassendste Darstellung der Möglichkeiten "taktisch" zu wählen, die ich bisher gelesen (3 an der Zahl) habe! Tolle Arbeit!!! Gleichwohl bleibt es eine verdammt schwierige Entscheidung, selbst wenn mein Ziel ist die "Arschlöcher für Deutschland" so klein wie möglich zu halten. Danke für deine Mühe!!!
Hi, super ausführlicher Beitrag, danke dir! 😊
Der Begriff "taktisch wählen" stößt bei mir allerdings immer sauer auf. Die Stimme des Einzelnen sollte die eigenen Überzeugungen und politischen Prioritäten widerspiegeln und eine Partei unterstützen, mit der man sich am meisten identifizieren kann. Und nicht, um als Mittel zum Zweck ein kleineres Übel zu wählen, damit das größere Übel nicht gewinnt. Langfristig sorgt das für den Ausschluss von kleineren Parteien und deren Meinungen und Themen und am Ende stehen wir wie in Amerika vor einem unbeweglichen und antidemokratischen Zwei-Parteien-System.
Außerdem könnte es die Politikverdrossenheit verstärken, wenn man Menschen erzählt sie sollen bitte den (zum Beispiel) stark konservativen Unionspolitiker mit der Erststimme wählen, weil er als einziger eine Chance hätte, ein AfD Direktmandat zu verhindern, obwohl sie sich mit beiden überhaupt nicht identifizieren können (wenn auch aus unterschiedlichen Gründen).
Anyway, danke für die ausführliche Arbeit am Newsletter 😊
Die 5%-Hürde lässt rechnerisch bis zu 20 Parteien zu. Realistischerweise werden es nicht mehr als 6 sein, aber auf jeden Fall sehe ich keinen Grund, weshalb es nur noch 2 werden sollten.
Dein Beispiel für taktisches Wählen finde ich etwas absurd, weil mir nicht klar ist, was das Ziel davon sein soll. Oben im Beitrag sind zwei Möglichkeiten für taktisches Wählen genannt, nämlich eine Partei mit der Zweitstimme über die 5%-Hürde zu bringen oder ihr mit der Erststimme eins von drei Direktmandaten zu ermöglichen. Sinnvollerweise würdest du das in deinem eigenen politischen Lager tun, also Linke oder FDP (oder BSW), und nicht komplett gegen deine Interessen wählen. Die CDU kannst du bei ihren Umfragewerten nicht taktisch unterstützen.
Das Beispiel war auf die Erststimme bezogen, nicht die Zweitstimme um kleinere Parteien über den 5% zu helfen. Und wenn ein AfD und ein CDU Politiker die aussichtsreichsten Kandidaten im Wahlkreis sind, würde taktisch wählen empfehlen, dem CDU Kandidaten die Stimme zu geben um den AfD Kandidaten zu verhindern. Die Zweitstimme ist in diesem konkreten Beispiel egal.
Und die Gefahr des Zwei-Parteien-Systems besteht natürlich nicht bei der aktuellen Wahl sondern in der Zukunft falls sich ein Trend des "ich wähle wen auch immer ich wählen muss um rechts zu verhindern" fortsetzt. Vielleicht erreichen FDP, Linke und BSW keine 5% und genügend Direktmandate und fallen aus dem Bundestag (keine allzu unrealistische Prognose). Dann besteht dieser aus AfD und drei anderen Parteien die evtl sogar alle drei zusammenarbeiten müssen, um eine AfD Regierungsbeteilgung zu verhindern. Und bei der nächsten Wahl heißt es dann "wähle keine Partei die nicht im Bundestag sitzt, denn sonst reicht es vielleicht nicht, um die afd zu verhindern". Ich hoffe, der Gedankengang ist verständlich 😅
Ich kann den Gedankengang nicht nachvollziehen,nein. Aber möchte auch nicht mehr darauf eingehen.
Worauf ich eingehen möchte ist dein Argument mit der Erststimme. Das verstehe ich nämlich immer noch nicht außer so, dass du nicht verstehst, wie gerade bei dieser Bundestagswahl das Wahlsystem funktioniert. Wir haben jetzt für Direktmandate, die über den Zweitstimmenanteil hinausgehen, eine neue Regelung. Anstatt dass diese Direktmandate behalten werden können (wie vor 2013, verfassungswidrig), oder dass sie ausgeglichen werden, indem die anderen mehr bekommen (wie zB 2021), fallen die Direktmandate mit dem schlechtesten Wahlergebnis weg.
Konkretes Beispiel, nehmen wir Mecklenburg-Vorpommern, Wahlkreis Schwerin etc. Laut https://www.election.de/cgi-bin/showforecast_btw25.pl wird dort voraussichtlich der AfD-Mann Leif-Erik Holm die meisten Stimmen (79% - EDIT: das ist die Gewinnwahrscheinlichkeit, nicht der Stimmenanteil) bekommen und er wird trotzdem nicht in den Bundestag kommen - auch wenn er auf Landeslistenplatz 1 steht. Die Anzahl der Sitze der AfD-Abgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern kann die Erststimme nicht beeinflussen, da ist kein "taktisches wählen" möglich, und wenn mehr Direktmandate an andere Parteien gehen, dann bekommt die AfD halt mehr über die Landesliste.
"Taktisch wählen" mit der Erststimme entscheidet dann nicht über AfD ja oder nein, sondern welche AfDler in den Bundestag kommen. Klar geht das auch darüber, dass der CDU-Kandidat die meisten Stimmen bekommt. Aber nicht nur. Selbst wenn er die meisten Stimmen bekommt, konkurriert Holm gegen seine Parteifreunde aus Mecklenburg-Vorpommern. Dafür ist es egal, ob in Schwerin die anderen Stimmen an den CDU-Kandidaten oder an andere Kandidat*innen gehen. Wenn ich "taktisch wählen" und Holm verhindern möchte, dann kann ich entweder in Schwerin irgendwen anderes wählen oder sogar in einem anderen Wahlkreis für(!) den/die AfD-Kandidat*in stimmen. Und natürlich mit der Zweitstimme eine Partei außer der AfD, die in den Bundestag einzieht.
Lange Rede kurzer Sinn: wenn dir jemand sagt, du kannst mit der Erststimme für die CDU die AfD schwächen, dann ist das falsch. Du kannst mit der Erststimme in begrenztem Umfang entscheiden, wer für die AfD in den Bundestag einzieht, aber nicht wieviele.
Die detaillierteste und umfassendste Darstellung der Möglichkeiten "taktisch" zu wählen, die ich bisher gelesen (3 an der Zahl) habe! Tolle Arbeit!!! Gleichwohl bleibt es eine verdammt schwierige Entscheidung, selbst wenn mein Ziel ist die "Arschlöcher für Deutschland" so klein wie möglich zu halten. Danke für deine Mühe!!!