Wie wir die AfD normalisieren & was wir dagegen tun können.
So funktioniert die Strategie - UND ich habe große News!
Hallo und herzlich Willkommen zur neuen Folge von Adé AfD!
Diese Woche widmen wir uns einem Thema, das mich schon lange beschäftigt: die fortschreitende Normalisierung der AfD. Weil es mich zunehmend beunruhigt, wie wir uns daran gewöhnen.
Kennt ihr Sätze wie: "Lass die AfD doch mal machen, dann entzaubert sie sich von selbst" – als wäre die AfD eine normale Partei, die sich halt noch beweisen muss?
Tatsache ist: Die AfD verfolgt bewusst die Strategie, die Grenzen des gesellschaftlich Akzeptierten zu verschieben. So heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht Thüringen, der dortige AfD-Landesverband wolle „den politischen Debattenraum in Richtung rechtsextremistischer Positionen öffnen“.
Das heißt: Was gestern noch provokativ wirkte, gilt heute oft schon als normal – und was heute als provokativ erscheint, könnte morgen akzeptiert sein. So gelingt es der AfD, ihre Ansichten schrittweise als selbstverständlich darzustellen und rechtsextreme Haltungen als „normal“ erscheinen zu lassen.
Dagegen hilft:
Die Strategien dahinter verstehen.
Sensibel werden für alltägliche Normalisierungen.
Dieses Wissen nutzen, um die eigene Haltungen für Diskussionen bewusst zu stärken. Zum Beispiel, indem man erkennt, dass eine bestimmte Wortwahl gezielt zur Verharmlosung genutzt wird.
Bevor wir loslegen, gibt es noch einen Hinweis in eigener Sache: Vielleicht ist euch die kurze Newsletter-Pause aufgefallen – der Grund dafür freut mich so sehr:
Ich starte etwas Neues! Ab sofort könnt ihr mich als Kommunikations- und Politikberaterin buchen, z.B. für:
Strategien zur Positionierung und im Umgang mit gesellschaftspolitischen Themen: Ich entwickle politische Kommunikation für Führungskräfte in Unternehmen, Verbänden, NGOs (z.B. zu Themen wie Rechtsextremismus oder Bundestagswahl 2025).
Workshops & Formate: Kommunikation, Demokratie am Arbeitsplatz, Social Media-Strategie und Rhetorik (z.B. Umgang mit Populismus).
Kommunikation & KI: Einsatz in politischer Kommunikation (z.B. in Pressestellen, im Wahlkampf), gegen Desinformation, Hatespeech & die AfD.
Keynotes, Vorträge und Panels zu Kommunikation, Demokratie, Populismus oder KI.
Und jetzt geht’s los:
Normalisierung “von unten”
In einer Nachwahlbefragung in Brandenburg gaben 81 % der AfD-Wähler an, die AFD sei eine Partei der demokratischen Mitte (Quelle: tagesschau.de).
Wie schafft es die AfD , diesen Eindruck über sich herzustellen?
Der Politikberater Johannes Hillje erklärt, die AfD verfolge eine Strategie der “Normalisierung von unten”:
“Sie tingelt ja schon jahrelang in Brandenburg, aber auch in den anderen ostdeutschen Bundesländern über die Dörfer, sie ist sehr präsent auf Marktplätzen. Das haben die anderen Parteien sehr stark vernachlässigt, das sind regelrechte Parteiwüsten entstanden. Und in diese Lücke ist die AfD hereingestossen und hat über das persönliche Gespräch mit Menschen ein anderes Image, einen anderen Eindruck von sich erzeugt, als das, was man über die Medien über sie hört.”
Hille erklärt, die Wähler der AfD glaubten nicht, dass ihre Partei rechtsextrem sei, da sie den offiziellen Sicherheitsbehörden, den demokratischen Institutionen und den etablierten Medien misstrauen. (Quelle: ntv-Interview)
Normalisierung durch Sprache
Sprache ist ein zentrales Werkzeug der Normalisierung: Mit kalkuliert mehrdeutigen oder verharmlosenden Begriffen schafft die AfD zum Beispiel bewusst Ambivalenzen, die schwer als eindeutig extremistisch zu entlarven sind.
Dem Thüringer Verfassungsschutzbericht zufolge ist zudem erkennbar, dass ein nationalsozialistischer Sprachgebrauch innerhalb der Partei zur Verharmlosung der NS-Zeit insgesamt beiträgt und Unsagbares dadurch scheinbar salonfähig wird. (Quelle: MDR)
👉 Subtile Sprachstrategien: Die AfD verwendet oft subtile und anschlussfähige Begriffe, die zunächst harmlos erscheinen, wie "Identität" und "Kultur". Das Ziel: problematische Inhalte in den öffentlichen Diskurs einzuführen, ohne sofortige Ablehnung zu provozieren. (Quelle: MDR)
👉 Umdeutung von Begriffen: Rechtspopulisten deuten historisch belastete Begriffe um und nutzen Euphemismen. Der Linguist Simon Meier-Vieracker von der TU Dresden erklärt, “unter diesem Deckmantel würden ganz klar rassistische Weltbilder transportiert, die das Ziel hätten, das deutsche Volk "reinzuhalten" und Menschen "auszugrenzen". Er erklärt weiter, dass Vokabeln mit rassistischem Inhalt einfach umbenannt würden.
"Ausländer raus" heiße heute "Remigration". "Rassenlehre" nenne man "Ethnopluralismus".” Diese Neubesetzungen helfen, extremistische Positionen als normal erscheinen zu lassen. (Quelle: MDR)
👉 Opferrolle & Angst-Rhetorik: Die AfD inszeniert sich als Opfer, was die Akzeptanz ihrer Botschaften erhöht. “Laut Meier-Vieracker nennt man das auch "Selbstvictimisierung". Populisten knüpfen sprachlich an die Empfindung des "Zu-kurz-gekommen-Seins" an. Und an dieser Stelle unterscheiden sich die Neuen Rechten in ihrem Denken und ihrer Sprache nicht von den Nationalsozialisten.” Ängste werden geschürt, indem Bedrohungsszenarien durch Migration gezeichnet werden. (Quelle: MDR)
Damit wird zum Beispiel auch die antisemitische und rassistische Verschwörungserzählung des »Bevölkerungsaustausches« gefüttert. Mehr dazu findet ihr auch in dieser Newsletterfolge.
Normalisierung durch die Akzeptanz von Menschenfeindlichkeit
Die Akzeptanz von menschenfeindlichen Aussagen und das sich-Gewöhnen an diese Narrative ist einer der wichtigsten Gründe für Normalisierung der AfD: Das beschreibt die Autorin und Journalistin Gilda Sahebi in ihrem Buch ”Wie wir uns Rassismus beibringen” (ihr findet es hier – ich empfehle es jedem von uns sehr).
Dass diese Normalisierung nicht neu ist, erklärt sie hier (und in dieser Adé AfD-Folge):
“Die Normalisierung von Menschenfeindlichkeit gibt es nicht erst seit der AfD. Sie ist Bestandteil der Geschichte, geschichtlich gewachsener Narrative und Debatten.
Einer der wichtigsten Gründe, warum die AfD so stark werden konnte: Die Gewöhnung an menschenfeindliche Aussagen, Narrative, politische Maßnahmen. Die Partei begann als Anti-Euro-Partei und wurde über die Zeit immer mehr von menschenfeindlich denkenden Politiker:innen übernommen.
Was hilft bei der Normalisierung? Wenn demokratische Kräfte der Mitte die Aussagen dieser Partei übernehmen; die AfD setzt die Themen, viele in der Politik und Medien folgen. Die Narrative der AfD sind in den medialen und politischen Debatten allgegenwärtig. Diese Gewöhnung an menschenfeindliche Narrative ist das schärfste Schwert der AfD.
Ein Beispiel: “Migration” wird über alle Parteien hinweg im Sinne und mit der Sprache der AfD debattiert und problematisiert.
Was das bewirkt: Während die AfD für Minderheitengruppen (und auch zumindest in Teilen für die Mehrheitsgesellschaft) eine existenzielle Gefahr ist, ist die AfD für große Teile der Mehrheitsgesellschaft, für die Politik, eher ein Störfaktor, nichts, über das man sich ernsthaft Sorgen machen muss. Nach dem Motto: “Uns betrifft es doch eigentlich gar nicht, wenn die AfD Erfolg hat. Wozu also die Aufregung?” Das ist eine gravierende Folge der Normalisierung. Man gewöhnt sich an das Unmenschliche.”
👉 Der Autor und Journalist Michael Kraske, dessen Buch “Angriff auf Deutschland” ich euch sehr ans Herz lege, beschreibt diese Gewöhnungseffekte so:
“Diverse Akteure wie die rassistische Pegida-Bewegung oder Thilo Sarrazin haben der AfD ideologisch den Boden bereitet. AfD-Leute wie Höcke, Weidel und Gauland haben dann permanent die Grenzen des Sagbaren und letztlich auch den Diskurs nach rechts verschoben.
TV-Talks a la Markus Lanz laden Chrupalla und Co. weiter unbeirrt ein und bieten dem AfD-Personal die Gelegenheit zur Selbstverharmlosung. Bis heute verstehen Redaktionen nicht, dass die AfD gar kein Interesse am demokratischen Diskurs hat, sondern diesen zerstören will.
Weit verbreitet ist das Missverständnis, die AfD sei ja eine demokratische Partei, weil sie doch demokratisch gewählt wird. Das erzeugt Gewöhnungseffekte. Beispiel „Remigration“: Anfang des Jahres haben Millionen Menschen gegen rassistische Vertreibungspläne demonstriert, doch die AfD hat an dem Label festgehalten und feiert damit nunmehr sogar Wahlerfolge. Politik und große Teile der Gesellschaft haben sich an die radikalisierte AfD gewöhnt.”
Normalisierung durch die Medien
„Die zentrale Erkenntnis unserer Forschung ist, dass die Themen und Ideen der extremen Rechten in Deutschland in den letzten 20 Jahren enorm an Sichtbarkeit und Legitimität gewonnen haben“, sagt Politikwissenschaftlerin Teresa Völker, Politikwissenschaftlerin am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).
In einem Krautreporter-Artikel von Benjamin Hindrichs, den ich euch in voller Länge sehr empfehle, wird aufgezeigt, welche Mechaniken hier relevant sind:
Die Übernahme der Positionen: “In Krisen-Momenten laufen Medien und andere Parteien der Themensetzung der AfD hinterher – und normalisieren so die Positionen der extremen Rechten.”
Medienpräsenz kann AfD-Themen verstärken: Durch kontinuierliche Debatten über AfD-Positionen in Medien und TV zur besten Sendezeit erreicht die Partei Anerkennung und Glaubwürdigkeit, insbesondere wenn ihre Themen von anderen Parteien aufgegriffen werden.
Zwei Dynamiken helfen der AfD dabei:
Agenda-Setting: “Rechtsextreme wissen: Um ihr eigenes Thema zu platzieren, sind Massenmedien nützlich, weil sie eine breite Öffentlichkeit erreichen und weil sich Rechtsextreme dort als harmlos präsentieren können.”
Issue Ownership: “Bestimmte politische Themen oder Probleme werden in der Öffentlichkeit mit einer Partei assoziiert, die als besonders kompetent in der Lösung dieser Probleme gilt. Bei den Grünen ist es der Klimaschutz, bei der AfD Migration, Sicherheit und die Gegnerschaft zur Klimaschutzpolitik.” Je mehr diese Themen öffentlich besprochen werden, desto mehr festigt sich das Bild der AfD als angeblich “kompetente" Partei auf diesen Gebieten.
Den Artikel findet ihr hier und die Forschungsarbeit von Teresa Völker hier.
Zum medialen Umgang mit der AfD verweise ich hier nochmal auf zwei kluge Hinweise der AfD-Expertin und Journalistin Ann-Katrin Müller (die Folge dazu findet ihr hier):
👉 “(..) nicht auf ihre PR-Tricks reinfallen: Wenn die AfD einen Kanzlerkandidaten aufstellt, tut sie das nur, damit alle darüber reden und die Person Interviewplatz bekommt. Dabei gibt es aktuell überhaupt keine Konstellation, in der die AfD ins Kanzleramt einzieht, die große Mehrheit der Deutschen steht gegen die Antidemokraten.
👉 Vielleicht hilft zum Umgang mit der AfD noch ein Blick in die Vergangenheit: Die AfD in Thüringen und Sachsen ist auf demselben behördlichen Status wie die NPD, die waren beziehungsweise sind auch heute unter dem neugewählten Namen “Die Heimat” als rechtsextremistisch eingestuft.
Hat man, als die NPD damals in Landtage gewählt wurde, ständig ihre Funktionäre in Talkshows eingeladen? Hat man überlegt, ob man mit ihr koalieren sollte? Nein, hat man nicht.”
👉 Zwei weiterführende Artikel möchte ich euch zu diesem Thema noch empfehlen:
Wie umgehen mit der AfD? Der Text aus dem Journalist stammt zwar von 2023 behält aber in seinen inhaltlichen Punkten die Gültigkeit bis heute.
Entzaubern, inhaltlich stellen oder nicht einladen? Eine Übersicht.
Zum Schluss ein Hinweis: Damit das hier weiterhin ein almost-short- und kein LONGEST OF ALL-read wird, gibt es zwei Teile. Wem also ein Thema fehlt: Schreibt es mir, bzw. wartet auf Teil 2 zu Ende der Woche…;)
👉 Und wer sich Gedanken über Positionierung, die eigene Haltung, die der Chefin, des Chefs oder über die Demokratie und die Bundestagswahl 2025 macht: Empfehlt gerne mich, diesen Newsletter oder meldet euch hier bei mir.
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