Wahlplakate-Spezial: Was steckt hinter den AfD-Sprüchen?
Europawahl-Spezial zum Parteiprogramm mit hilfreichen Links
Hallo und herzlich Willkommen zur neuen Folge Adé AfD!
Heute dreht sich hier alles um die EU-Wahlen und das Wahlprogramm der AfD. Was steckt hinter den Schlagworten der AfD-Wahlplakate - und was genau hat die Partei mit der EU vor?
Das erklären euch die beiden Journalist_innen Maria Timtschenko und Johannes Giesler. Sie schreiben den Newsletter “Wie Rechte reden”, den ich euch als Abo sehr ans Herz lege. Einmal die Woche entschlüsseln die beiden, was hinter rechtsextremen Aussagen steckt (und was wir alle wirklich über diese Narrative wissen sollten).
Damit wir uns für die EU-Wahlen gut gewappnet fühlen, stellen sie Euch heute drei Narrative aus dem EU-Wahlprogramm vor und zwar drei Sprüche, die ihr so auf den Wahlplakaten lest. Spoiler: Hinter den Aussagen auf den Wahlplakaten stecken handfeste rechtspopulistische Absichten.
🎊 Bevor es losgeht: Ein herzliches Willkommen an so viele neue Abonnent_innen! Für alle Neuen empfehle ich diese Folgen zum Einstieg:
👉 Und damit übergebe ich an Maria und Johannes:
“EIN NEUES HAUS FÜR EUROPA”
Die AfD schreibt in ihrem Wahlprogramm, dass sie “Europa stärken” wolle - nicht aber die EU. Sie unterscheidet bewusst zwischen Europa und der Europäischen Union.
Ziel der AfD ist es, die angeblich zunehmende Zentralisierung und Bevormundung der EU zu beenden und die “nationale Souveränität” und die “kulturelle Identität” der Länder zu erhalten. Die AfD plant anstelle der EU einen “Bund europäischer Nationen”.
Das “neue Haus” Europas ist nichts anderes als die rhetorische Umgestaltung des Staatenbundes, der laut AfD “in allen Bereichen, die Europa existenziell betreffen” versagt habe und der sich zu einem “undemokratischen Konstrukt” entwickelt habe, das “immer mehr Gewalt” an sich ziehe und von einer “intransparenten, nicht kontrollierten Bürokratie” regiert werde.
👉 Hier finden sich zwei typische populistische AfD-Narrative.
Die Eliten-Kritik
Sie dient in erster Linie der Abgrenzung “nach oben”. Etablierte Politiker:innen bezeichnet die AfD häufig als moralisch böse, abgehobene oder weltfremde Elite. So entsteht ein Feindbild, das für eine Vielzahl vermeintlicher Fehlentwicklungen im Land oder in der EU verantwortlich gemacht werden kann.
Durch diese Rhetorik werden politische Repräsentant:innen in Brüssel und damit die Demokratie als Ganzes infrage gestellt. Das schreiben Rico Behrens und Stefan Breuer in “Rechtspopulismus - Herausforderung für die Demokratie”.
Mit dem Narrativ, dass “das Volk” von falschen, geradezu korrupten Eliten repräsentiert werde, gehe die Dämonisierung von Politiker:innen einher, denen man vorwirft, nur ihre eigenen Interessen zu verfolgen.
Der sogenannte “Niedergang des Eigenen”.
Der wird laut dem Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft immer wieder im Diskurs der rechtspopulistischen Partei nachgewiesen. Begründet sei der Niedergang vor allem in der Globalisierung und der europäischen Integration - beides habe, aus Sicht der AfD, die Souveränität Deutschlands ausgehöhlt.
Dazu komme, dass man sich immer mehr vom Ideal der “sozialen Markwirtschaft” entfernt und dass die Einführung des Euro und die “Rettungspolitik” nach der Wirtschaftskrise 2008 die deutsche Wirtschaft geschwächt habe.
Die EU wird also dafür verantwortlich gemacht, die sogenannte “nationale Identität” zersplittert und geschwächt zu haben.
“UNSER LAND ZUERST”
👉 Die AfD hat ihre Übersetzung des Trump-Slogans, “Unser Land zuerst”, erstmals 2022 benutzt. Damals setzte der sächsische Landesverband bei seinen “Montagsdemos” darauf, um die Deutungshoheit “innerhalb der aufkommenden sozialen Proteste gegen steigende Energie- und Lebensmittelpreise”zu erlangen.
👉 Mit “Unser Land zuerst” wollte sich die AfD demnach vor allem als volksnahe “Kümmerer-Partei” inszenieren. 2022 sprach sie deshalb von drohenden “Energieengpässen, Blackouts und Verelendung”. Im aktuellen EU-Wahlkampf setzt sie dafür auf das Thema Migration. Diese stehe angeblich dem “Frieden und Wohlstand in Deutschland und Europa” im Weg - besonders der “politische Islam”.
👉 Übrigens: Bewusst schreibt die AfD hier nicht vom Islam, nicht vom Islamismus, sondern vom “politischen Islam”. Dabei handelt es sich laut Bundeszentrale für politische Bildung um einen Kampfbegriff ohne eindeutige Definition, weshalb er “als Sammelbezeichnung für politische Aktivitäten von Muslimen” gelte.
Die Vagheit mache den Kampfbegriff “zu einer Projektionsfläche für Feindbilder und muslimfeindliche Ängste - also potentiell zu einem Instrument des Populismus”.
Wenn sie den “politischen Islam” als “eine Gefahr für Deutschland und Europa” bezeichnet, will die AfD Ängste schüren und sich als Löser inszenieren, um die angeblich drohende Katastrophe abzuwenden.
👉 Es gibt auch eine Innenperspektive zu dem Slogan “Unser Land zuerst”. Die kommt von einer Medienagentur, die zu “Okzident Media” gehört. Das ist laut Belltower News ein Unternehmen der rechtsextremen Identitären Bewegung, die “Dienstleistungen im Social Media Bereich, Kampagnenplanung und Marketingberatung” anbietet. Dort wird der AfD-Slogan als “simpel gehalten, nicht überabstrahiert und gesellschaftlich anschlussfähig” bewertet.
👉 Sein Ziel sei es demnach, nicht nur in die eigene Blase zu kommunizieren, sondern an unterbewusst-emotionale Attribute wie Stolz, Ehrgefühl, Sicherheit und Beständigkeit anzuknüpfen und auf die Festigkeit und das Band einer gemeinsamen Nation zu verweisen.
“FESTUNG EUROPA”
Migration in die EU führe zur “Überforderung”, man habe keine Kontrolle mehr über die deutschen Grenzen und sei aufgrund des “Zustroms” von Geflüchteten längst “fremd im eigenen Land”.
Hier finden sich viele rechtspopulistische Deutungen wieder, die bei einer Entmenschlichung von Geflüchteten beginnt (Zustrom), von einer rein negativen Perspektive auf Migration begleitet wird (Überforderung) und bei einem Slogan, den früher auch die NPD nutzte (fremd im eigenen Land), endet. Letzteren hat sich mittlerweile die AfD zu eigen gemacht hat.
Dahinter steht die große Verschwörungserzählung vom sogenannten Großen Austausch. Dessen angebliches Ziel ist es, die “Stammbevölkerung” durch “kulturell fremde Bevölkerungsgruppen” zu ersetzen. Auf diese Weise soll die “nationale Identität” zerstört werden, die vor allem aus der angeblichen Gleichheit eines Volkes entsteht. So erklärt es das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft.
Mehr zum “großen Austausch” findet ihr auch in dieser Adé AfD-Folge:
👉 Die Antwort der AfD auf den “Großen Austausch”: Sie will eine “Festung Europa”. Damit übernimmt sie ein Narrativ der rechtsextremen Identitäten Bewegung (IB).
Die setzte den Begriff bereits 2016 bei einer ihrer PR-Aktionen. Belltower News schrieb damals, dass “neurechte junge Männer” ein Banner ans Brandenburger Tor gehängt und für eine “Festung Europa” geworben hätten. Sie würden “sich, ‘ihr’ Land und gar Europa bedroht” sehen, weshalb sich Europäer:innen gegen angeblich ‘einfallende’ Muslim:innen wehren müssten.
Verknüpft mit dem Sprachbild einer Festung ist auch immer die implizite Bereitschaft, sie gegen Invasor:innen zu verteidigen. Notfalls mit Gewalt.
💡 Franzis Link-Tipps für die Europawahlen:
Wer mehr über die EU-Wahlprogramm-Narrative lesen möchte: In “Wie Rechte reden” geht es diese Woche auch um weitere Wahlplakate-Sprüche der AfD und die Narrative, die dahinter stecken.
Einen Wahlprogramme-Vergleich, bei dem ich zum Beispiel gerne nachlese, findet ihr bei der Tagesschau.
Wer sich ein eigenes Bild für seine Wahlentscheidung machen will: Der Wahlomat für die Europawahl ist online - ihr findet ihn hier.
Eine praktische Übersicht zu allen Daten zum Kalender-Download für die EU-, Kommunal und Landtagswahlen findet ihr zum Beispiel auf dieser Webseite.
👋 Zum Abschluss gibt es heute eine Umfrage: Was wünscht ihr euch als konkrete Hilfestellung für den Umgang mit der AfD und Demokratieunterstützung bei euch im Job?
Viele Grüße von
Franzi
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